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Virus (German Edition)

Virus (German Edition)

Titel: Virus (German Edition)
Autoren: Kristian Isringhaus
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Videos vom letztjährigen G8-Gipfel in Genua
gesehen, doch hier schien niemand bereit, soweit zu gehen. Wo war der Schwarze
Block, die Gewaltbereitesten unter den Globalisierungsgegnern? Woran würde er
sie erkennen? Wie würde er ihnen vermitteln, dass er einer von ihnen sein
wollte?
    Diese Jungs trauten sich noch,
ihre Meinung zu zeigen. Was half es schon, Transparente zu bemalen, und
Sitzblockaden durchzuführen? Wenn man etwas aussagen wollte, dann brauchte man
Aufmerksamkeit, und die kriegten sie hier nicht.
    In Genua hatten sogar die
Spezialeinheiten der Polizei Respekt vor dem Schwarzen Block gezeigt.
Gewaltfreie Demonstranten waren brutal zusammengeknüppelt worden – wenn sie
überhaupt in die Stadt gelassen worden waren. Aber als die Mitglieder des
Schwarzen Blocks durch die Straßen gezogen waren, Autos angezündet und
randaliert hatten, da war weit und breit kein Polizist zu sehen gewesen, der
sich ihnen in den Weg zu stellen gewagt hätte. Die Aufnahmen waren in den
Nachrichten auf der ganzen Welt ausgestrahlt worden, man hatte Aufmerksamkeit
erzeugt. Nur so ließ sich etwas bewegen.
    Nicht so hier.
    Fast ärgerte Passe sich, dass er
überhaupt hergekommen war. Er hatte geahnt, dass nicht viel passieren würde.
Seine Freundin Dora hatte ihn überredet, aber die fand ja auch Sitzblockaden
dufte.
    Man kam noch nicht mal in die
Nähe des eigentlichen Gipfels. Um Globalisierungsgegner fernzuhalten und die
Sicherheit der Staatsoberhäupter zu gewährleisten, war im Vorfeld des Gipfels
ein zwölf Kilometer langer Zaun im Halbkreis um die Küste und den
Versammlungsort errichtet worden. Im Polizeijargon nannte man sowas eine
technische Sperre. Zwölfeinhalb Millionen Euro hatte die Bundesregierung
investiert, um aus Stahlgittern und Beton ein nahezu unüberwindliches Hindernis
zu schaffen. Der ganze Zaun reichte einen Meter tief in die Erde, um
Untertunnelungen zu verhindern. Er war zweieinhalb Meter hoch und komplett mit
Stacheldraht umwickelt. Zu guter Letzt sorgten Überwachungskameras in regelmäßigen
Abständen für Sicherheit. Dies war in der Tat eine technische Sperre.
    Auf der anderen Seite des
Halbkreises begrenzte die Ostsee den Gipfelschauplatz. Doch auch von hier aus
waren Aktionen nicht möglich. Über fünfzig Schnellboote der Polizei bewachten
dicht gestaffelt und unterstützt von fünf Fregatten der Marine die Küste, während
regelmäßige Polizeipatrouillen den Strand sicherten. Zudem lagen zwei
Kriegsschiffe der U.S. Navy vor der Küste – die Sicherheitsverantwortlichen des
Weißen Hauses hatten darauf bestanden. Während sie die Seeraumüberwachung der
deutschen Marine durchaus zutrauten, wollten sie die Luftabwehr nicht in fremde
Hände geben, und hatten neben einem Zerstörer einen Kreuzer der Ticonderoga -Klasse
in die Ostsee verlegt. Kreuzer dieser Klasse waren mit dem AEGIS -Lenkwaffensystem
ausgestattet, dem modernsten Luftabwehrsystem der Welt.
    In Passes Augen machten die
Amerikaner sich mit ihrer Paranoia lächerlich. Er jedenfalls hatte einen
Angriff aus der Luft nie in Erwägung gezogen.
    Der Zaun um den Versammlungsort
hatte den Globalisierungsgegnern natürlich nur weiter Wasser auf ihre Mühlen
gegossen. Hier wurde sinnlos und mit beiden Händen das Geld aus dem Fenster
geworfen, während auf der anderen Seite der Erde Menschen verhungerten. Die
Gruppe der Acht gab vor, die Länder der Dritten Welt zu unterstützen, doch in
Wirklichkeit trieb sie die armen Nationen in Abhängigkeiten, um an deren
Bodenschätze zu gelangen und immer neue Anlagemöglichkeiten für westliches Kapital
und Absatzmöglichkeiten für westliche Produkte zu finden. Wenn man so wollte,
war dieser Zaun mit Mitteln gebaut worden, die man von den ärmsten Ländern der
Erde genommen hatte. Er symbolisierte die mafiöse Doppelmoral der G8.
    Doch der Zaun war nicht das
Einzige, was hier vernünftige Proteste erschwerte. Auch der Austragungsort des
Gipfels an sich eignete sich denkbar schlecht für aufmerksamkeitsstarke
Aktionen. Während der Schwarze Block in Genua noch mehr oder weniger eine ganze
Stadt verwüstet und somit seiner Meinung imposant Nachdruck verliehen hatte,
gab es hier nichts, was man auch nur hätte anzünden können.
    Unmittelbar um den Zaun zog sich
ein breiter Gürtel wilder Wiesen. Hier campten die Globalisierungsgegner.
Dahinter gab es mehrere kleine Wäldchen, zumeist aus Eichen und Buchen. Bäume,
die zu dicht am Zaun gestanden hatten, waren abgeholzt worden, um ein
Überwinden
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