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Virus (German Edition)

Virus (German Edition)

Titel: Virus (German Edition)
Autoren: Kristian Isringhaus
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des Zauns von einem Baum aus unmöglich zu machen. Wälder und Wiesen.
Was für Randale konnte man hier schon veranstalten?
    Nur wenige hundert Meter vom Zaun
entfernt befand sich dann der eigentliche Dorfkern. Petersdamm war ein
beschauliches kleines Ostseedörfchen mit viel alter Bausubstanz und viel
Fachwerk. Hier Verwüstungen anzurichten hätte absolut die Falschen getroffen.
Wahrscheinlich hätte sich die Bundesregierung nicht einmal um die Beseitigung
der Schäden gekümmert. Wen interessierte dieses Kaff nach dem Gipfel schon noch?
Außerdem würde es schlicht und einfach nichts bringen, hier Verwüstungen anzurichten.
Petersdamm war nicht Genua.
    Auf einer Wiese in der Nähe des
Zauns hatten unzählige Übertragungswagen von Kamerateams vorläufig Posten
bezogen. Im eingezäunten Bereich selbst waren keine Fernsehteams zugelassen.
Kameraleute der Bundesregierung filmten hier und gaben das Material nach
eingehender Prüfung durch den BND an die Fernsehsender dieser Welt weiter. Die
Fernsehteams, die am Zaun entlang Quartier bezogen hatten, hofften, durch die
Gitter hindurch etwas Sehenswertes zu erwischen. Zudem erwarteten ihre
Zuschauer Vor-Ort-Berichterstattung. Ob die Bilder nun selbst produziert waren
oder nicht.
    Natürlich hätte man die Übertragungswagen
anzünden können. Immerhin nahm das Areal, das für sie vorgesehen war, etlichen
Autonomen den Platz zum Campen. Doch auf die Medien war man eben angewiesen,
wenn man eine Botschaft in die Welt zu tragen hatte. Erstens musste man ihnen
die technischen Möglichkeiten zum Senden belassen und zweitens sollte man sie
sich nicht zum Feind machen.
    Nein, es gab hier wirklich nicht
viele Möglichkeiten, aufmerksamkeitsstarke Aktionen durchzuführen.
    Und Dora freute sich auch noch
darüber. Unzählige Male hatten sie dieselbe Diskussion geführt. Dora vertrat
die Meinung, gewaltfreier Protest würde ernster genommen. Die Öffentlichkeit
würde sehen, dass die Demonstranten vernünftige Menschen mit klaren
Vorstellungen waren und nicht Rowdies, die mehr wegen der Randale als wegen der
politischen Aussage gekommen waren. So ein Schwachsinn. Was für eine
Öffentlichkeit denn? Die würden doch gar nichts von den Protesten mitbekommen.
Welcher Nachrichtensender sendete denn ein paar Hippies, die sich irgendwo auf
eine Straße setzten, über die vielleicht einmal eine wichtige Person fahren
würde, vielleicht auch  nicht?
    Es war Quatsch. Und Doras
Überheblichkeit kotzte ihn auch an. Natürlich hatte er sich, bevor er sie
kennengelernt hatte, nicht sonderlich für Politik interessiert. Das hatte erst
durch sie begonnen. Aber das hieß ja nicht, dass er nicht in der Lage war, sich
seine eigene Meinung zu bilden. Besonders, wenn es so offensichtlich war, dass
die gewaltfreien Proteste rein gar nichts einbrachten. Dass er mit seinen dreiundzwanzig
Jahren zwei Jahre jünger war als sie, stärkte seine Position natürlich auch
nicht.
    Zwei Kamerateams hatten sie am
Vortag gefilmt. Zwei!
    Am Tag vor dem Gipfelbeginn
hatten sich die Globalisierungsgegner in der Hoffnung, die Mächtigen am
Beziehen ihres Quartiers hindern zu können, zu einer Sitzblockade auf der
einzigen Zufahrtsstraße zum eingezäunten Bereich eingefunden. Von den
geschätzten fünfhundert Fernsehsendern vor Ort hatten exakt zwei sie gefilmt.
Und dann hatte es die ganz große Überraschung gegeben – etwas, womit wirklich
niemand hatte rechnen können: Ihre Zielobjekte waren per Hubschrauber angereist.
Passe hatte ernsthaft begonnen, am Verstand seiner Mitstreiter zu zweifeln.
    Und jetzt dieses Wetter. Bis
hierher konnte er das Tosen der Brandung hören. Das Wüten des Meeres verbunden
mit dem landeinwärts wehenden Wind verstärkte den Salzgeruch in der Luft. Der
Geruch des Meeres verursachte immer eine leichte Übelkeit bei Passe, seit er
als kleiner Junge mal entsetzlich seekrank geworden war. Selbst der Regen
vermochte den Salzgeruch nicht aus der Luft zu spülen – nicht einmal dafür war
er zu gebrauchen!
    Vor zwei Tagen waren sie
angereist. Es war ganz nett gewesen. Man hatte gezeltet, gegrillt, Leute
kennengelernt. Ganz nett! Aber dafür war er nicht hier. Hatte er
vielleicht schon Leute getroffen, die genauso dachten wie er? Mitglieder des
Schwarzen Blocks, die sich nur nicht zu erkennen gaben? Er wusste, dass sie stets
vermummt waren, wenn sie Randale machten. Vielleicht hatten sie auf dem Zeltplatz
Angst, von verdeckten Ermittlern ausgemacht zu werden. Vielleicht gaben sie
sich ihm
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