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Virus (German Edition)

Virus (German Edition)

Titel: Virus (German Edition)
Autoren: Kristian Isringhaus
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deshalb nicht zu erkennen. Sah er vielleicht aus wie ein verdammter
Bulle?
    Am liebsten wäre Passe im Zelt
geblieben. Aber nach den Regengüssen der letzten zwölf Stunden war es darin
auch nicht mehr viel trockener als draußen. Also hatte er sich den anderen
angeschlossen und sich zum Kongresszentrum aufgemacht. Dort würde heute der
Eröffnungsvortrag des Gipfels stattfinden. Natürlich konnte man nicht bis ganz
an das Zentrum heran, doch es war das dem Zaun am nächsten stehende Gebäude,
das während des Gipfels genutzt wurde. Tatsächlich trennte lediglich ein großer
Parkplatz das Kongresszentrum vom Zaun.
    Aber was sollte hier schon groß
passieren? Am Zaun entlang hatten unzählige Kamerateams Stellung bezogen. Doch
die würden natürlich in der Hoffnung, einen der Mächtigen dieser Welt zu
erwischen, ihre Kameras nicht von dem Gebäude abwenden.
    Passe seufzte. Hier war einfach
nichts zu machen. Kein Wunder, dass sich der Schwarze Block nicht blicken ließ.

3.
    Professor Tu Meng Hongs großer
Augenblick war fast gekommen. Sechs Jahre lang hatte er dafür gekämpft, dass
die Gefahr von Epidemien auf einem G8-Gipfel thematisiert würde. Nun stand der
Moment, auf den er so lange gewartet hatte, unmittelbar bevor. Man würde die
Weltöffentlichkeit auf die Gefahr aufmerksam machen. Man würde Notfallpläne
erarbeiten. Es würden Forschungsgelder in astronomischen Höhen fließen. Und das
Ganze würde verbunden sein mit seinem Namen.
    Er war der Eröffnungsredner. Dies
würde seine große Stunde werden, er würde Ruhm ernten wie nie zuvor. Und das
war schließlich das Einzige, wonach die verlogene Gemeinschaft der Forscher
strebte. Forscher gaben vor, dem Fortschritt verpflichtet zu sein, der
Wissenschaft dienen zu wollen, und doch lag ihr eigentliches Ziel nur in Ruhm
und Rampenlicht. Nicht einen Forscher hatte Meng Hong in seiner langen Laufbahn
kennengelernt, der sich nicht gerne selbst reden hörte, und deshalb war er sich
sicher, mit Recht von sich auf alle schließen zu dürfen. Er belog wenigstens
sich selbst nicht. Er wusste, dass es der Ruhm war, nach dem er strebte, und
nicht die Rettung der Menschheit. Aber er würde es niemals jemanden wissen
lassen.
    Er warf noch einen letzten Blick
in sein Manuskript und war zufrieden. Debbie hatte gute Arbeit geleistet – wie
eigentlich immer. Sie war die beste Assistentin, mit der er je zusammen
gearbeitet hatte, und mit seinen zweiundsechzig Jahren hatte er deren schon
einige gehabt. Fünfundzwanzig Jahre lang hatte er in seiner Heimat China geforscht
und gelehrt, bevor er einen Forschungsauftrag der University of Minnesota
erhalten hatte. Doch selbst in puncto Fleiß und Eifer stach Debbie seine
jungen, ambitionierten Landsleute aus – von ihrem Talent ganz zu schweigen. Ihre
Art war manchmal ein wenig zu offen, ein wenig zu direkt, doch zumindest war
die Zusammenarbeit dadurch stets unkompliziert und Missverständnisse kamen
nicht auf.
    Trotz der unzähligen Vorträge,
die er in seinem Leben bereits gehalten hatte, ergriff Meng Hong eine leichte
Nervosität. Er hatte schon vor Regierungschefs und Staatsoberhäuptern
gesprochen, aber noch nie vor einer so gebündelten Verdichtung purer Macht wie
hier. Sein Puls legte einen Schlag zu und kleine Schweißperlen traten auf seine
Stirn. Irgendwie schien es warm zu sein im Kongresszentrum.
    –––––
    Andreas Hanke überprüfte den ovalen
Raum ein letztes Mal mit geschultem Blick. Er mochte den
Hauptveranstaltungssaal des Kongresszentrums, weil er eingeschossig und nahezu
freistehend war. Das erleichterte eine Überwachung enorm, und Überraschungen
aus oberen Stockwerken konnten ausgeschlossen werden. Eine zweite Etage hätte
man auch schlecht auf den Saal setzen können, denn die Decke war ebenso rund
wie der ganze Raum. Im Prinzip glich das Gebäude von außen einem der Länge nach
aufgeschnittenen hartgekochten Ei, das auf der Schnittfläche lag. Aufgrund der
Nähe zur Ostsee wurde es häufig mit einem gestrandeten Wal verglichen und so
hatte sich nach und nach der Spitzname ‚Walfisch’ für das Gebäude eingebürgert.
    Der Architektur des gesamten
Komplexes angepasst, bestand der ‚Walfisch’ hauptsächlich aus Glas und Stahl
und wurde im vorderen Bereich, in dem die Bühne stand, von einer Halbkuppel aus
Stahl und Beton abgeschlossen. Diese Halbkuppel diente dem einfachen Zweck,
kein natürliches Licht von hinter der Bühne zuzulassen. Zudem vereinfachte sie die
Installation der nötigen
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