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Steife Prise

Steife Prise

Titel: Steife Prise
Autoren: Terry Pratchett
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D as, was die Welt von Goblins weiß, beschränkt sich im Großen und Ganzen auf den Kult oder vielleicht auch die Religion des Unggue. Dabei handelt es sich, kurz gesagt, um eine bemerkenswert komplexe, auf dem Konzept der Wiederauferstehung basierende Religion, die sich auf die Heiligkeit von Körperflüssigkeiten gründet. Ihre zentrale Lehre besagt Folgendes: Alles, was der Körper eines Goblins ausscheidet, war zweifellos einmal ein Teil davon und sollte deshalb mit Ehrfurcht behandelt und sorgfältig aufbewahrt werden, damit es, wenn die Zeit gekommen ist, zusammen mit seinem Eigentümer beigesetzt werden kann. Bis dahin wird das Material in Unggue-Töpfen gelagert, erstaunlichen Gebilden, von denen später noch zu berichten sein wird.
    Wer auch nur einen Moment mit diesem leicht widerwärtigen Gedanken spielt, kommt rasch darauf, dass dergleichen von keinem Lebewesen geleistet werden kann, es sei denn, es verfügt über großen Reichtum, beträchtliche Lagerkapazitäten und überaus tolerante Nachbarn.
    Aus diesem Grunde befolgen die meisten Goblins das Unggue Had, das man als die gewöhnliche und etwas laxere Form des Unggue bezeichnen könnte und das lediglich Ohrenschmalz, abgeschnittene Finger- und Zehennägel sowie Nasenschnodder umfasst. Wasser wird im Allgemeinen nicht als Unggue angesehen, sondern als etwas, das den Körper zwar durchläuft, jedoch zu keinem Zeitpunkt ein Teil davon wird. Die Goblins argumentieren, dass es gewissermaßen keinen erkennbaren Unterschied zwischen dem Wasser davor und dem Wasser danach gebe (was ein trauriges Licht auf den Frischegehalt des Wassers wirft, mit dem die Goblins in ihren unterirdischen Höhlen in Berührung kommen). Auf ähnliche Weise sehen sie Fäkalien als Nahrung an, die lediglich einen Zustandswechsel durchlaufen hat. Erstaunlicherweise sind auch die Zähne für Goblins nicht von Interesse, weil sie in ihren Augen eher eine Art Pilz sind; Haaren scheinen sie ebenfalls keine große Wichtigkeit beizumessen, zumal sie davon, was an dieser Stelle zu erwähnen wäre, nur in seltenen Fällen nennenswert viel ihr Eigen nennen.
    Nach diesem Absatz unterbrach Lord Vetinari, der Patrizier von Ankh-Morpork, seine Lektüre und starrte ins Nichts. Kurz darauf wurde das Nichts von der Gestalt Drumknotts, seines Sekretärs, verdunkelt (der bemerkenswerterweise seine gesamte Karriere darauf ausgerichtet hatte, sich in etwas zu verwandeln, das so sehr wie nichts anderes dem Nichts ähnelte).
    »Ihr seht nachdenklich aus, Euer Lordschaft«, sagte Drumknott und versah diese Feststellung mit einem sehr zarten Fragezeichen, das sich sofort in Luft auflöste.
    »In Tränen aufgelöst, Drumknott, in Tränen aufgelöst.«
    Drumknott hörte auf, den makellos glänzenden, schwarz lackierten Schreibtisch abzustauben. »Pastor Himmelwärts ist ein sehr bewegender Autor, Mylord.«
    »Wohl wahr, Drumknott, aber das eigentliche Problem ist und bleibt, dass die Menschheit sich mit Zwergen, Trollen und sogar den Orks arrangieren kann, so grässlich sie sich gelegentlich auch aufgeführt haben, und weiß du auch, warum, Drumknott?«
    Der Sekretär legte das Staubtuch sorgfältig zusammen und richtete den Blick zur Decke. »Ich würde der Vermutung Ausdruck verleihen, Mylord, dass wir uns in deren Gewalttätigkeit selbst erkennen?«
    »Sehr schön, Drumknott! Ich mache doch noch einen Zyniker aus dir! Raubtiere respektieren andere Raubtiere, genau so ist es! Vielleicht respektieren sie sogar ihre Beute: Der Löwe legt sich womöglich zum Lamm, auch wenn sich höchstwahrscheinlich nur der Löwe wieder von diesem Lager erhebt. Aber der Löwe würde sich nie zur Ratte legen. Ungeziefer, Drumknott, eine ganze Spezies wird als Ungeziefer angesehen!«
    Lord Vetinari schüttelte traurig den Kopf, und dem stets aufmerksamen Drumknott fiel auf, dass die Finger Seiner Lordschaft nun schon zum dritten Mal an diesem Tage zu der Seite mit der Überschrift »Unggue-Töpfe« zurückgekehrt waren. Dabei schien er, was eher ungewöhnlich war, sich selbst leise vorzulesen.
    »Diese werden traditionellerweise von den Goblins selbst hergestellt, und zwar aus allen möglichen Materialien, von kostbaren Mineralien bis hin zu Leder, Holz oder Knochen. Einige der aus Mineralien gefertigten, eierschalendünnen Töpfe gehören zu den künstlerisch hochwertigsten Gefäßen auf der ganzen Welt. Die Plünderung von Goblin-Siedlungen durch Schatzsucher, die es auf solche Gefäße abgesehen haben, und die
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