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Steife Prise

Steife Prise

Titel: Steife Prise
Autoren: Terry Pratchett
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Außenstehenden wie reine Magie erscheinen. Es war jedoch erstaunlich, was man sich so alles zusammenreimen konnte, wenn man darauf achtete, was Lord Vetinari gerade las, wenn man dem einen oder anderen anscheinend sinnlosen Kommentar lauschte und das alles mit den aktuellen Problemen und Anliegen kombinierte, so wie nur Drumknott kombinieren konnte. »Spielt Ihr damit auf die Schmugglerplage an, Mylord?«, fragte er.
    »Ganz recht, ganz recht. Es ist mir herzlich egal, dass geschmuggelt wird. Zum erfolgreichen Schmuggeln gehören Eigenschaften wie Unternehmungsgeist, Verschwiegenheit und ein originelles Köpfchen. Alles Attribute, die man beim Normalbürger durchaus fördern sollte. Außerdem entsteht dadurch, ehrlich gesagt, nicht allzu viel Schaden, und der Mann auf der Straße genießt dabei den wohligen Schauder der Erregung samt klammheimlicher Freude. Jeder sollte, auf maßvolle und genüssliche Art und Weise, ab und zu das Gesetz brechen, Drumknott. Das ist gut für die geistige Hygiene.«
    Drumknott, dessen intellektuelle Sauberkeit zu keiner Zeit in Frage stand, erwiderte: »Trotzdem müssen Steuern erhoben und bezahlt werden, Mylord. Die Stadt wächst. Das alles kostet Geld.«
    »Allerdings«, sagte Vetinari. »Ich hätte alles Mögliche besteuern könnten, aber stattdessen habe ich etwas besteuert, auf das man ohne weiteres verzichten kann.«
    »Manche Leute sehen das anders. In der Stadt wird erstaunlich viel gegrummelt und gemault.«
    Vetinari blickte nicht von seiner Schreibtischarbeit auf. »Drumknott«, sagte er, »das Leben kann zur Sucht werden. Wenn die Leute sich allzu sehr beschweren, muss ich ihnen diese Tatsache wohl wieder einmal ins Gedächtnis rufen.«
    Der Patrizier lächelte und legte die Fingerkuppen nachdenklich aneinander. »Kurz gesagt, Drumknott, sollte man – um der Gesundheit der Stadt willen – bei den unteren Klassen über ein gewisses Maß an Gaunerei hinwegsehen, ja, sie vielleicht sogar dazu ermutigen. Was aber sollen wir unternehmen, wenn die Hochwohlgeborenen und Wohlhabenden Gefallen am Verbrechen finden? Wenn ein Mittelloser ein Jahr ins Gefängnis muss, weil er aus Hunger gestohlen hat, wie hoch müsste dann der Galgen für einen Reichen errichtet werden, der das Gesetz aus purer Raffgier bricht?«
    »Ich möchte an dieser Stelle noch einmal betonen, dass ich alle meine Büroklammern aus der eigenen Tasche zahle.«
    »Selbstverständlich, aber in deinem Fall sage ich mit Freude, dass du einen so reinen Verstand besitzt, dass er Funken sprüht.«
    »Ich hebe jede einzelne Rechnung auf, Euer Lordschaft.« Drumknott ließ nicht locker. »Für den Fall, dass Ihr sie sehen wollt.« Nach kurzem Schweigen fuhr er fort. »Kommandeur Mumm müsste inzwischen schon zu seinem Landsitz unterwegs sein. Das könnte sich als glücklicher Umstand herausstellen.«
    Vetinaris Gesicht blieb völlig ausdruckslos. »Wohl wahr, Drumknott, wohl wahr.«
    Gut Käsedick war eine ganze Tagesreise entfernt oder, wenn man mit der Kutsche reiste, eigentlich zwei Tage, mit einer Übernachtung im Gasthaus. Mumm verbrachte die Zeit damit, auf sie überholende Reiter zu lauschen, die die dringend erwarteten Nachrichten von furchtbaren Katastrophen aus der Stadt ins Land hinaustrugen. Normalerweise konnte Ankh-Morpork derlei stündlich liefern, aber ausgerechnet heute versagte die Stadt auf ganzer Linie und tat ihrem verzweifelten Sohn nicht den Gefallen, ihn in der Stunde seines Dahinschmachtens zu erlösen.
    Als die Kutsche vor einem großen Tor zum Stehen kam, ging auch die andere Sonne für ebenjenen Sohn langsam unter. Kurz darauf tauchte wie aus dem Nichts ein älterer, ein extrem älterer Mann auf und öffnete das Tor mit großem Brimborium. Kaum hatte er das vollbracht, stellte er sich in Habachtstellung neben der Durchfahrt auf, ließ das Gefährt an sich vorbeirattern und strahlte dabei in dem Bewusstsein, seine Aufgabe vorzüglich gemeistert zu haben, dümmlich vor sich hin. Die Kutsche war kaum drinnen, da blieb sie auch schon wieder stehen.
    Sybil, die die ganze Zeit gelesen hatte, stieß ihren Gatten an, ohne von ihrem Buch aufzublicken, und sagte: »Es ist Sitte, Herrn Sarg einen Penny zu geben. Früher hatte mein Großvater immer ein kleines Kohlebecken in der Kutsche, angeblich, um sich daran zu wärmen, aber eigentlich diente es dazu, die Pennys so zu erhitzen, dass sie glühten, ehe er sie mit einer Zange packte und dem draußen wartenden Torwächter zuwarf. Angeblich für alle eine
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