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Steife Prise

Steife Prise

Titel: Steife Prise
Autoren: Terry Pratchett
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Haustür war. Sie bildeten zwei lange Reihen, wie bei einem Hochzeitsfest. Wobei sie eigentlich eher wie eine Ehrenwache wirkten, die aus insgesamt mehr als dreihundert Menschen bestand, angefangen von den Gärtnern bis hin zu den livrierten Lakaien, die einer wie der andere ohne großen Erfolg zu lächeln versuchten. Der Anblick erinnerte Mumm an eine Parade seiner Stadtwache.
    Zwei Lakaien prallten bei dem Versuch, eine kleine Trittleiter an die Kutsche zu stellen, gegeneinander, und Mumm vermasselte den ganzen Auftritt, indem er auf der anderen Seite ausstieg und Lady Sybil anschließend ebendort aus der Kutsche hob.
    Inmitten der aufgeregten Menschenmenge war ein freundliches Gesicht zu sehen, das Willikins gehörte, Mumms Butler und Leibdiener aus der Stadt. Mumm hatte darauf bestanden, zumindest ihn mitnehmen zu dürfen. Wenn er schon aufs Land fahren musste, so wollte er wenigstens Willikins dabeihaben. Er hatte seine Frau darauf hingewiesen, dass Willikins eindeutig kein Polizist war, weshalb es nicht das Gleiche war, als wenn er sich Arbeit mit nach Hause brächte. Was sogar der Wahrheit entsprach. Willikins war eindeutig kein Polizist, denn welcher Polizist wusste schon, wie man jemanden mit einer abgebrochenen Flasche vermöbelte, ohne sich selbst dabei die Hände blutig zu reißen, oder wie man aus Haushaltsgeräten Waffen von begrenzter, aber durchaus überzeugender Zerstörungskraft herstellte. Willikins’ ungewöhnliche Biografie blitzte immer dann auf, wenn er den Truthahn tranchieren musste.
    Jetzt rannte Klein-Sam, kaum dass er das vernarbte, aber vertraute Gesicht erblickt hatte, zwischen den verdrucksten Hausangestellten hindurch und schlang die Arme um die Knie des Butlers. Willikins hob Sam in die Höhe, drehte ihn auf den Kopf und wirbelte ihn einmal im Kreis herum, ehe er ihn vorsichtig wieder auf dem Kies abstellte, was für einen sechsjährigen Jungen eine Aktion von großem Unterhaltungswert war. Mumm vertraute Willikins. Er vertraute nicht vielen Leuten. Viele Jahre als Gesetzeshüter ließen einen in dieser Hinsicht ziemlich wählerisch werden.
    Verunsichert von den zwei langen Reihen gequälten Lächelns beugte er sich zu seiner Frau hinüber und flüsterte: »Was machen wir jetzt?«
    »Alles, was du willst, mein Liebster«, antwortete sie. »Du bist der Boss. Du nimmst doch auch die Wachparade ab, oder nicht?«
    »Doch, aber dort kenne ich jeden Einzelnen und seinen Rang und … Na ja, einfach alles! So wie hier ist es in der Stadt nie gewesen!«
    »Ganz recht, mein Lieber, und zwar deshalb, weil in Ankh-Morpork jeder den Kommandeur Mumm kennt.«
    Wie schlimm konnte es noch kommen? Mumm ging zu einem Mann hinüber, der einen zerbeulten Strohhut, einen Spaten und, als Mumm auf ihn zukam, einen sogar noch verschreckteren Ausdruck im Gesicht trug als Samuel Mumm selbst. Mumm streckte ihm die Hand entgegen. Der Mann sah sie an, als hätte er noch nie eine Hand gesehen. Mit Mühe brachte Mumm ein »Guten Tag, ich bin Samuel Mumm. Wer sind Sie?« heraus.
    Der Angesprochene sah sich nach Rettung, Unterstützung und möglichen Fluchthelfern um, aber niemand bot sich an. Die Menge war totenstill. »Willibald Butler, Euer Gnaden«, sagte der Mann schließlich. »Wenn’s recht ist.«
    »Freut mich, Sie kennenzulernen, Willibald«, erwiderte Mumm und streckte abermals die Hand aus, vor der Willibald beinahe zurückscheute, ehe er Mumm dann doch eine Handfläche von der Beschaffenheit eines uralten Lederhandschuhs entbot.
    Na bitte, dachte Mumm, geht doch, und wagte sich mit »Und welcher Aufgabe gehen Sie hier nach, Willibald?« gleich weiter in das unbekannte Terrain vor.
    »Gärtner«, stieß Willibald hervor und hielt seinen Spaten zwischen sich und Mumm, sowohl zum Schutz als auch als Beweisstück »A« für seine Aufrichtigkeit. Da Mumm selbst völlig ratlos war, begnügte er sich damit, die Spatenklinge mit dem Finger zu überprüfen und zu murmeln: »Vorbildlich in Schuss, ich sehe schon. Sehr gut, Herr Butler.«
    Als ihm jemand auf die Schulter tippte, zuckte er erschrocken zusammen. Es war seine Frau. »Du hast das auch gut gemacht, Liebster, aber es hätte völlig gereicht, wenn du einfach die Treppe hochgegangen wärst und dem Butler und der Hauswirtschafterin zum gelungenen Antreten der Dienerschaft gratuliert hättest. Wenn du mit jedem erst ein Schwätzchen hältst, stehen wir morgen noch hier.« Damit nahm Lady Sybil ihren Gatten fest an der Hand und führte ihn die Stufen zwischen
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