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Die Verfuehrung Des Ritters

Die Verfuehrung Des Ritters

Titel: Die Verfuehrung Des Ritters
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PROLOG
    Der Hafen von Barfleur, Normandie, Frankreich
    1. April 1152
    »Wie viel?«
    Misstrauisch musterte der Kapitän des Schiffes den Mann, der vor ihm stand. Der Fremde wirkte finster und unheimlich. Er trug einen dunklen Umhang, dessen Kapuze er sich tief ins Gesicht gezogen hatte. Seine grauen Augen glommen wie Kohlenstücke. Der Hafen von Barfleur lag im Dunkeln, er war menschenleer und gespenstisch still. Der Regen peitschte fast waagerecht vom Himmel.
    »Mehr, als einer wie du sich leisten kann«, murmelte der Kapitän und wollte sich abwenden.
    Eine Hand schloss sich um seinen Unterarm. »Ich kann mir mehr leisten, als einer wie du sich vorstellen könnte.« Ein Beutel mit Münzen wurde dem Kapitän in die schwielige Hand geschoben. »Reicht das?«
    Der Kapitän hob eine buschige Augenbraue, dann öffnete er den Beutel.
    Goldmünzen und Kupfermünzen klirrten in der Stille des Hafens laut aneinander. Er blickte zum anderen Ende des Kais, wo das Schild einer Schenke sich knarrend im Wind bewegte. Er warf noch einen Blick auf die Münzen in dem Beutel und zog die Kordel wieder zu. »Das wird reichen.«
    Der Fremde reagierte mit einem tiefen, spöttischen Lachen.
    Der Kapitän schob den Beutel unter seinen Mantel und kniff die Augen zusammen.
    Fackelschein spiegelte sich auf dem Pflaster des regennassen Kais. Der Umhang des Mannes vor ihm
    blähte sich im Wind. Es war schwer, ihn als reales Wesen wahrzunehmen. Dieser Mann wirkte so geisterhaft wie schwarzer Nebel.
    Der Kapitän strich sich durch den dichten Vollbart. » Was habt Ihr gesagt, wie viele ihr seid?«
    »Dreizehn.«
    Er beugte sich vor, um inmitten der finsteren Schatten unter der tief in die Stirn gezogenen Kapuze ein Gesicht zu erkennen. Sogar das Pferd des Mannes, das ein paar Schritte abseits stand, war so pechschwarz wie die Nacht. »Aye. Zweifellos eine Zahl, die einem Unglück bringen kann.«
    Der Fremde - vermutlich ein Ritter - richtete sich auf, während er die Arme vor der Brust verschränkte. »Zweifellos. Aber vor allem wird sie Euch Unglück bringen, wenn Ihr irgend-jemandem von uns erzählt.«
    Der Kapitän griff nach dem Geldbeutel unter seinem Mantel. »Schon gut. Mein Mund wird sicherlich kein Verlangen haben, irgendwelche Geschichten auszuspucken, solange er mit gutem Essen und ausreichend Ale gestopft wird - und sich an feuchten Frauenschößen laben kann.« Er lachte bellend.
    Die grauen Augen musterten ihn gleichgültig. Dem Kapitän blieb das Lachen im Halse stecken, und er räusperte sich. »Wohin wollt Ihr?«
    »Nach Wareham. Anderthalb Meilen westlich davon.«
    Der Kapitän erstarrte. »Was? An der Küste könnte sich nicht mal ein Schwärm Fische zurechtfinden! Nein, das Risiko kann ich nicht eingehen ...«
    Der Fremde beugte sich unerwartet schnell vor. Im nächsten Moment steckte seine Hand unter dem Mantel des Kapitäns, und er zog den Geldbeutel hervor. »Dann wird eben jemand anderer das Risiko eingehen ... und das Geld nehmen.«
    »Also ... Sir, also gut, ist ja gut«, jammerte der Kapitän. Er leckte sich über die Lippen, während er auf den Geldbeutel
    starrte, den der Fremde zwischen ihnen in der Luft hin und her baumeln ließ. »Ich hab ja nicht gesagt, ich würd's nicht eingehen, bloß dass es unklug wäre, Mylord ...«
    Ungewollt war ihm diese Anrede entschlüpft. Aber was konnte dieser geheimnisvolle Fremde anderes sein als ein Lord, der ihm gewiss nur Ärger einbringen würde? »Und Ihr könnt mich nicht dafür verantwortlich machen, falls ein Unglück geschieht.«
    Er sali die Zähne des Mannes aufblitzen, als dieser grimmig lächelte. »Ich werde viele unkluge Dinge tun, Kapitän. Und ich werde nicht von Euch verlangen, dafür geradezustehen. Morgen früh um sechs werde ich mit meinen Männern hier sein.
    »D'accord«, brummte der Kapitän. Mit einem erleichterten Seufzen steckte er den Geldbeutel wieder ein.
    Die dunkle Gestalt wandte sich ab. »Wir haben Pferde dabei.«
    »Also, was um alles...« Der Kapitän verstummte, als er sich umwandte und sah, dass er allein auf dem Kai stand. Der Fremde war in der Dunkelheit verschwunden.

1. KAPITEL
    Sechs Monate späten Oktober 1152
    London, 250 Meilen südlich des Stammsitzes derer von Everoot, genannt das Nest
    Das Gedränge war beängstigend. Die Gäste mochten allesamt Adelige sein, aber sie waren genauso laut und derb wie eine Horde betrunkener Tagelöhner.
    Sie trug ein grünes Kleid aus kostbarer Seide, die wie ein smaragdgrüner Wasserfall schimmerte.
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