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Virus (German Edition)

Virus (German Edition)

Titel: Virus (German Edition)
Autoren: Kristian Isringhaus
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Lichttechnik und das elegante Verbergen der Kilometer
von Kabel.
    Um eine völlige Überhitzung bei
massiver Sonneneinstrahlung zu verhindern und Beamerprojektionen auch am Tage
zu ermöglichen, konnte jede der über vierhundert Glasscheiben individuell mit
Jalousien verdunkelt werden. Zwar ließ das Dunkelgrau des Himmels an diesem
Dienstagnachmittag nicht allzu viel Licht durch, während der impertinente
Dauerregen für genug Abkühlung sorgte, doch auch heute waren sämtliche
Jalousien zugezogen. Zu nah stand das Gebäude am Zaun und damit an den gierigen
Kameras der Nachrichtenteams. Künstliches Licht erhellte den Saal.
    Hanke war mit den Kollegen alles zigmal
durchgegangen. Der ovale Saal war leicht zu überblicken. Vorne befand sich die
Bühne, nach etwa fünf Metern fingen die Sitzreihen an. In der ersten Reihe
würden die Regierungschefs sitzen, zwei Reihen dahinter er und seine
ausländischen Kollegen. Aber das würde niemandem auffallen. Die
Personenschützer der Staatsoberhäupter fielen überhaupt nie jemandem auf, der
kein geschultes Auge dafür hatte. Sie waren nahezu unsichtbar und doch immer in
der Nähe.
    Die Personenschützer des BKA
konnte man nicht mit Bodyguards von Prominenten oder gar mit Türstehern einer
Diskothek vergleichen. Ihre Körperkraft zeigte sich nicht in Muskelbergen und
ihr Haarschnitt war unauffällig und durchschnittlich, anstatt angsteinflößend
und bedrohlich. Sie trugen gut sitzende Anzüge und fügten sich stets perfekt in
das übliche Bild eines gewöhnlichen Staatsempfangs ein.
    Rechts neben der Bühne war der
Notausgang für den Fall der Fälle. Er war nicht als solcher gekennzeichnet und
niemandem außer den Regierungschefs und ihren Bewachern bekannt. Dies war der
Fluchtweg für die Mächtigen.
    Es gab immer einen
Notfallfluchtplan, der die üblichen Fluchtwege der Massen umging, aber schon
lange hatte Andreas Hanke nicht mehr darauf zurückgreifen müssen. Natürlich
hatte es Attentatsversuche gegeben, aber immer waren seine Kollegen frühzeitig
zur Stelle gewesen und hatten den Attentäter ausgeschaltet, lange bevor er
seinen Anschlag versuchen konnte. Obwohl er sich sicher war, dass sich daran
auch heute nichts ändern würde, waren seine Konzentration und Anspannung voll
da, denn ein einziger Fehler von ihm könnte im Ernstfall den Tod der Kanzlerin
bedeuten.
    Doch das würde nicht passieren.
Es gab nichts, was ihn noch überraschen konnte, dafür war er einfach schon zu
lange dabei. 1997 war er vom BKA in die Stellung eines Personenschützers gehoben
worden. 1998 mit der Wahl des neuen Kanzlers hatte er dann dessen Schutz
übernommen. Als dieser 2005 abgelöst wurde, hatte die neue Kanzlerin ihn wegen
seines exzellenten Rufs in ihren Stab an Personenschützern übernommen.
    Die Gefahr hatte sich ein wenig
gewandelt. Während der Ex-Kanzler sich mit seiner Politik und den nicht eingelösten
Wahlversprechen eher Feinde im eigenen Land gemacht hatte, setzte sich die neue
Kanzlerin mit ihrer freundlichen Haltung gegenüber Amerika eher dem Hass
internationaler Terroristen aus. Die Aufgabe jedoch war die gleiche geblieben:
ein Leben beschützen – zur Not im Tausch gegen das eigene.
    Er testete ein letztes Mal die
Funkverbindung.
    „Am Eingang alles klar?” Er
flüsterte die Frage unauffällig und nahezu ohne seine Lippen zu bewegen in ein
winziges Mikrofon in seinem Revers.
    „Alles klar”, war die prompte Antwort
auf seinem kleinen, unsichtbaren Knopf im Ohr.
    „Wie sieht’s auf dem Dach aus?”
    Fünf Scharfschützen waren auf dem
Dach des ‚Seeadlers’ postiert und überwachten von hier aus das Dach des
‚Walfischs’ und die Umgebung.
    „Hier oben ist auch alles klar.”
    Befriedigt blickte Hanke zur
Bühne, die soeben vom Moderator betreten wurde. Es ging los.
    –––––
    Das Stimmengewirr, das gedämpft hinter
die Bühne drang, ebbte ab. Nur noch Augenblicke. Meng Hong tupfte sich ein
letztes Mal den Schweiß von der Stirn. Dann hörte er, wie er angekündigt wurde,
gefolgt von höflichem Applaus. Seinem Applaus. Er fühlte, wie ihn eine
Gänsehaut überkam, eine Gänsehaut der angenehmen Art.
    Debbie rückte seinen
Krawattenknoten zurecht.
    „Good luck, Professor.”
    Er trat auf die Bühne. Seine
Bühne. Sein großer Auftritt. Der Saal war bis auf den letzten Platz gefüllt.
Meng Hong warf einen ausschweifenden Blick in die Runde und sog die Atmosphäre
in sich auf. Er konnte die Macht förmlich fühlen, die sich hier versammelt
hatte und
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