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Violett ist erst der Anfang

Violett ist erst der Anfang

Titel: Violett ist erst der Anfang
Autoren: Judith Hueller
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älter als du?«, drang Ewas Stimme aus dem Wohnzimmer, und Jule ertappte sie beim Betrachten eines Familienfotos. »Sieht nett aus.«
    »Er hat eine Freundin.«
    »Wollte ich nicht wissen. Ich meine, versteht ihr euch gut? Du und deine Familie?«
    Laut knisterte Jule mit der Grissini-Verpackung, rupfte und zerrte an dem Ding herum, als wäre die rote Hier-Öffnen-Ecke ein unüberwindbares Sicherheitssystem.
    »Alles klar.« Frau B. stellte den Rahmen zurück ins Bücherregal und seufzte. »Du willst nicht reden. Weiß du was? Du bist mir ein Rätsel, Jule Schweitzer. Aber dich krieg ich noch geknackt.«
    »Mit diesem Schubrrr…«
    »Genau. Muss kurz wohin. Toilette ist neben dem Eingang?«
    Jule nickte. Danke, Herr im Himmel, dieser Moment war ihre Rettung. In Ewas Abwesenheit holte sie eine Flasche stilles Wasser. Ihre Restladung Wodka kippte sie in Ewas Glas und füllte ihr eigenes frisch mit harmloser Flüssigkeit. Unternehmen Klarer-Kopf konnte beginnen, und als Frau B. zurückkam, schien sie von dem Gepantsche auch nichts zu bemerken. Stattdessen erhob sie feierlich das Glas. »Und jetzt trinken wir auf was richtig Großes und Geniales.«
    Aha, und Jule verzog den Mund zu einem spöttischen Grinsen. »Weltfrieden?«
    »Auf Violett.«
    »Themawechsel.«
    »Wieso?« Ewas Röntgenblick brachte Jule gewaltig ins Schwitzen. »Ich finde das alles mega. Als Schauspieler reißen wir uns täglich den Arsch auf. Und jetzt wissen wir, dass wir Leute da draußen zum Träumen bringen. Genau das wollen wir doch. Menschen mit unserer Kunst berühren. Oder?«
    »Schon. Nur …«
    »Und wir haben Angelina Jolie versenkt. Zieh dir das rein. Violett rockt!«
    »Aber …« Jule zögerte kurz, wagte sich dann aber doch aufs Glatteis. »Stört es dich nicht, dass die uns privat … also auch für … Dings halten?«
    »Andersrum? Nö, kratzt mich nicht. Schlimmer wäre es, die würden mir was mit Manuel andichten, überleg mal, ja bäh. Von diesem Schmierlappen krieg ich auch ohne Kuss Herpes, kein Scheiß. Da hab ich lieber eine Affäre mit dir.« Und schon tätschelte Ewa vergnügt Jule den Oberschenkel.
    Die Temperatur im Raum? Stieg abrupt und Jule wischte sich über die Stirn. Ewa hatte recht. Total entspannt war die Lage. Haha. Diese Nähe zwischen ihnen war verstörend und lockend wie ein Heizpilz an einem bitterkalten Tag im Freien. Instinktiv wollte Jule ranrutschen, sich da hinkuscheln und niemals wieder we… äh, verdammt! »Prost.« Sie hob ihr Glas.
    »Oder macht dir irgendwer Stress deswegen, Jule? Deine Familie da unten in Bayern? Oder hast du einen Freund, der mit deiner Rolle nicht klarkommt? Ist er eifersüchtig wegen … mir?«
    Jule zuckte zusammen. »Dir?«
    »Ja. Weil wir uns … na ja … so vertraut sind vor der Kamera.« Immer dichter rückte Ewa heran. »Oder hast du dich verliebt? Würde dein Ausweichen auch erklären. Noch frisch, top secret? Erzähl! Wer ist es?«
    »Prost.«
    »Jemand vom Set? Da kommen nicht viele in Frage. Lass mich raten. Es ist, ähm … es ist … warte, gleich hab ich’s, es ist …«
    »Bogacz! Rein das Zeug, auf Ex!« Eine gepfefferte Ansage.
    Frau B. spurte und gluckerte die mörderische Ladung in einem Zug weg. In der Küche füllte Jule erneut die Gläser. Wodka für Ewa, Wasser für sie. Gleichzeitig meldete sich ihr schlechtes Gewissen. Aber welche Wahl hatte sie denn? Vor Ewa wollte sie auf keinen Fall die Hosen runterlassen. Seelisch, verbal und praktisch schon gar nicht. Jule brauchte Zeit. Einfach noch mehr Zeit, um dieses Lesbenthema wieder auf Distanz zu kriegen, weit weg, wo es hingehörte. Also konterte sie auf jede bohrende Frage mit einem herrischen Prost. Solange, bis …
    »Luuule, du mascht mich fertisch.« Im Bogacz’schen Sprachzentrum gab es erste Ausfälle. Kapitulierend vor der Schwerkraft fläzte sich Frau B. ins Polster mit ausgebreiteten Armen, als wäre sie ein umgefahrenes Ampelmännchen. Ein rotes natürlich. Ach herrje. Jule konnte den Blick nicht abwenden. An der Hüfte war Ewas Pulli einige Zentimeter nach oben verrutscht. Blass schimmernde Haut blitze hervor und auch der angenagte Bund eines Slips in ausgebleichtem Türkis mit weißen Blümchen. Nicht sexy, aber drollig, irgendwie. Da rollte sich Ewa zusammen. Ihren Kopf? Den legte sie zielsicher in Jules Schoß ab. Ach du Scheiße! Jules Herzschlag beschleunigte sich. Sollte sie wegrutschen? Oder war alles gut so, wie es war? Es fühlte sich zumindest verdammt gut an, so viel stand
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