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Violett ist erst der Anfang

Violett ist erst der Anfang

Titel: Violett ist erst der Anfang
Autoren: Judith Hueller
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ein, Kopfschmerztabletten, Vitaminpillen, whatever. Wenn Ewa einen Totalausfall hat, gibt es morgen Stress am Set. Megastress.«
    »Alles klar. Ich koch Kaffee und fang sie draußen ab.«
    »Tausend Dank. Und jetzt brauche ich eure Adresse.«
    Kaum hatte Jule aufgelegt, rollte das Taxi an. Sie verfrachtete ihre Kollegin auf den Beifahrersitz und nahm den Fahrer, einen dauerlächelnden Klops mit Dumbo-Ohren, ins Visier. »Aufgepasst, der Herr. Für diese Tour gibt es dieses schicke Scheinchen.« Jule wedelte mit dem Zwanziger. »Dafür erwarte ich einen respektvollen Fahrstil und …«
    »Klappe halten«, meinte Dumbo mit Bassstimme und nickte. »Keine Angst. Ist nicht mein erster betrunkener Promi.«
    »Äh … Promi?«
    » Liebes Leben. Meine kleine Schwester steht total auf euch. Auf Violett.« Dumbo zwinkerte ihr zu, so komplizenhaft, als kannte er die Farbe ihrer Unterwäsche.
    Fassungslos blickte Jule ihn an. Wie viele verrückte Lesben gab es denn bitteschön auf diesem Planeten mit lila Vollschatten? Apropos voll. Jules Blick ging noch einmal zu Ewa. Die kuschelte den Motorradhelm an ihre Brust und guckte melancholisch trüb ins Nichts, als wäre sie ein gestrandeter Astronaut auf einem fremden Stern, irgendwo verloren zwischen Himmel und Erde, wartend auf ein rettendes Raumschiff. Scotty, nun los, beam sie up. Ach Mensch, dieses Motiv rührte.
    »Du störrisches Ding, du«, flüsterte Jule und streichelte dem Zwerg liebevoll über die Wange. »Komm heil ins Bett, versprochen?«
    Da lösten sich Ewas Hände. Statt Helm umschloss sie unerwartet zielsicher Jules Kopf und zogen ihn dicht heran. Sanft und kitzelnd wie ein Windhauch schlug Jule warmer Atmen entgegen, dann spürte sie unglaublich weiche Lippen. Blackout. Überrascht schnappte sie nach Luft. Geöffnete Lippen, und Ewa legte nach. Wham! Ein heißer Schauer nach dem anderen kribbelte durch Jules Körper, wohlige Wellen, die ihr Herz zum Rasen und ihre Fingerspitzen zum Pulsieren brachten. Ewas Zunge neckend an ihrer, auf ihrer, unter ihrer, Himmel, was passierte hier? Wie hypnotisiert schloss Jule die Augen und ließ es geschehen. Kein Zweifel, das war live. Und gut. Verdammt gut. Jetzt bloß nicht aufhören, bitte, jetzt nicht … nicht loslassen! Pech.
    In diesem Moment gab Ewa Jules Kopf frei. Taumelnd bekam die gerade noch den Anschnallgurt zu fassen. Kein Glücksgriff, denn der zog natürlich mit, und Jule kippte kopfüber ins Taxi. Autsch. Gut, so halb auf Ewa lag es sich eigentlich ganz nett. Helm und Handbremse bohrend im Brustkorb waren dagegen weniger nett. Und mit der Nase am Oberschenkel vom Dumbo zu kleben, das war, äh, äußerst unnett. Zögernd sah sie auf und in ein schweißüberflutetes Gesicht, in dem das Dauerlächeln einem schnappenden Fischmund gewichen war.
    Dumbos Räuspern kickste unschön. »V-verabschiedet ihr euch immer so st-stürmisch?«
    »Kein Kommentar.«
    »Ich-ich bin übrigens der Lars.«
    »Mir wurscht.« Fluchend robbte Jule ins Freie, schubste die Autotür zu und blickte dem davonbrausendem Wagen nach. Erleichtert und gewaltig verwirrt.
    Was für ein Abend, was für eine Nacht. Traumhaft und schlaflos. Schließlich kapitulierte Jule, warf die Bettdecke zurück und stand auf. Immer wieder kreisten ihre Gedanken um Ewa. Und natürlich um den sensationellen Kuss, der Jule von den Socken gerissen hatte. In jeglicher Hinsicht. Das war kein flüchtiger Filmkuss gewesen wie bisher. Ein Abschiedsküsschen? Ha, selten so gelacht. Ein Im-Suff-ist-alles-erlaubt-und-ohnehin-schon-schnurz-Kuss? Gut möglich bei diesem Pegel.
    Aber selbst nach dem Verlust der Muttersprache knutschte man doch nicht einfach alles nieder, was einem vors Gesicht kam, oder? Ewa bestimmt nicht. Ewa, der lallende Zwerg mit Ringelsocken und Blümchenslip, den feinen Lachfältchen und glühenden Ohrläppchen. Jule geisterte ins Wohnzimmer, kuschelte sich auf die Couch und zupfte Fusseln. Täuschte sie sich oder hing Ewas Parfüm noch in den Polstern? Sie schnupperte, oh ja, da war Meer, sie lächelte, schnupperte, hach ja, sie seufzte und … Schweitzer, geht’s noch? … fühlte sich schlagartig entsetzlich albern und rief sich zur Ordnung. Waschmaschine. Mit ungeschickten Fingern schaufelte Jule die feuchten Klamotten aus der Trommel in den danebenstehenden Wäschetrockner. Lule, wir zschwei, wir bleiben imma zuschammen. Imma. Wie Violett. Der Kuss. Mangelfeucht, Mist. Jule korrigierte den Verdreher und stellte das Regelrad auf Schranktrocken. Sie
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