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Schwarze Piste

Schwarze Piste

Titel: Schwarze Piste
Autoren: Andreas Föhr
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    1
    D er Himmel am Morgen des vierundzwanzigsten September 2008 war grau, die Luft kalt und feucht. Der Monat hatte ungewöhnlich warm begonnen. Doch in der zweiten Hälfte waren die Temperaturen gefallen. Um sieben Uhr dreißig zeigten die Thermometer sechs Grad über null in Miesbach. Baptist Krugger verabschiedete sich von seiner Mutter, die ihm wie jeden Morgen in Stanniol eingeschlagene Wurstbrote mitgab, und bestieg einen alten VW Golf, um nach München in die Universität zu fahren. Jedenfalls nahmen seine Eltern das an. Baptist Krugger fuhr aber nicht nach München. Wie an fast jedem Morgen fuhr er zu einem neun Kilometer entfernten, einsam gelegenen Haus, um dort den Tag zu verbringen. Das wussten seine Eltern nicht, und auch sonst wusste so gut wie niemand von dem Haus. Der Golf nahm die Straße Richtung Norden, und alles war wie immer – nur dass heute ein dunkelblauer BMW Baptist Krugger in einigem Abstand folgte.
     
    Sophie Kramm hatte unruhig geschlafen und war kurz nach fünf aufgewacht. Ihr war schlecht, und sie musste sich zwei Mal übergeben. Auch zitterten ihr die Knie. Sie zog sich an und ging zum Stall hinüber, um die kalte Luft zu atmen und sich zu beruhigen. Die Pferde und Esel waren nervös an diesem Morgen und scharrten und schnaubten in ihren Boxen. Zurück im Wohnhaus, kochte sie eine Kanne Kaffee, trank aber nur wenig, denn sie fürchtete, dass der Kaffee ihrem Magen den Rest geben würde.
    Um sechs war sie zu der kleinen Straße gefahren, die durch den Wald führte, und hatte Jörg und Annette geholfen, die mobile Verkehrsampel aufzubauen. Die feuchte Kälte durchdrang ihre Kleidung, aber sie schwitzte vor Anstrengung. Als die Ampel installiert war, leuchtete sie zwar, aber nur grün. Jörg hatte geflucht und gegen die Ampel getreten, wie es Männer oft taten, wenn technische Apparate nicht funktionierten. Annette hatte vorgeschlagen, die Ampel aus- und wieder einzuschalten. Nach dem Neustart leuchtete sie – allerdings nur rot. Aber das war in Ordnung.
    Ab sieben Uhr wartete Sophie Kramm in einem dunkelblauen BMW mit falschem Kennzeichen achtzig Meter vom Haus der Familie Krugger entfernt und beobachtete die Ausfahrt. Um sieben Uhr achtundzwanzig gab sie Kruggers Abfahrt per Handy durch, folgte dem Wagen in großem Abstand und verlor bald den Sichtkontakt. Doch war das ohne Belang. Sie wusste, welchen Weg Krugger nehmen würde.
     
    Baptist Krugger war ein unscheinbarer junger Mann von vierundzwanzig Jahren, übergewichtig, aschblond, fahle Gesichtshaut, braune Augen, fliehende Stirn, wulstige Lippen und auch sonst Gesichtszüge, die nahelegten, dass eine seiner Urahninnen von Neanderthalern entführt worden war. Seine Eltern betrieben eine kleine Kerzenfabrik, die von Aufträgen der Diözese lebte, trotz dieser potenten Kundschaft aber in wirtschaftliche Schieflage geraten war; die Banken hatten gerade entdeckt, dass sie auf einem Haufen wertloser Papiere saßen, und verliehen kein Geld mehr. Baptist studierte Betriebswirtschaftslehre und war dazu ausersehen, eines Tages die Leitung der Kerzenfabrik zu übernehmen. Neben der Liebe zu Kerzen wurde im Haus Krugger auch die Liebe zu Gott praktiziert, was im Kerzengewerbe gewissermaßen Hand in Hand ging. Baptist gedachte übrigens nicht, den elterlichen Betrieb zu übernehmen. Er besaß, was ihm niemand ansah, ein Vermögen von elf Millionen Euro. Niemand ahnte etwas davon, und niemand ahnte etwas von dem Haus, das er vor einem halben Jahr einem Freund abgekauft hatte. Baptist hütete noch andere Geheimnisse und war sicher, dass niemand außer ihm selbst von ihnen wusste.
    Wenige Minuten, nachdem er Miesbach in Richtung Weyarn verlassen hatte, bog Baptist Krugger linker Hand in eine kleine Seitenstraße ab. Kurz darauf bog auch der dunkelblaue BMW in die Straße ein.
    Wenig später folgte ein Streifenwagen. Darin Kreuthner mit dunklen Ringen um die Augen und zerschrammtem Gesicht.

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    2
    K reuthner hatte eine bewegte Schafkopfnacht im Gasthaus Zur Mangfallmühle hinter sich. Seine Mitspieler waren der alte und der junge Lintinger gewesen, von Beruf Schrottplatzbesitzer und Kleinkriminelle, sowie Stanislaus Kummeder, ein für seine Gewalttätigkeit berüchtigter Provinzganove. Gegen eins war Kreuthner vierhundert Euro im Plus gewesen. Dann hielten sich Gewinn und Verlust lange Zeit die Waage. Erst ab fünf kam wieder Bewegung in die Schafkopfrunde. Und das lag an einer Regel, die besagte, dass jeder Spieler fünf Euro in
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