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Violett ist erst der Anfang

Violett ist erst der Anfang

Titel: Violett ist erst der Anfang
Autoren: Judith Hueller
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nicht sachlich über Gefühle, nein, die knutschte und vögelte gleich los. Da ging die Studiotür auf. Ein blonder Wuschelkopf. Jules Puls schnellte in die Höhe, sie stürzte herbei und … »Hi, Viola.« Fuck!
    Überrascht sah Ewa sie an. »Viola?«
    »So-sorry, mein Fehler. Ich meinte Ewa. Hi, Ewa.« Jule kaschierte die Lage mit Grübchen. Zwecklos. Diese Szene hatte sie bereits kolossal verkackt. Zudem kämpfte sie an allen Fronten gleichzeitig. Gegen den fetten Kloß in ihrem Hals, das Kribbeln in ihrer Magengegend, gegen ihren ausgeprägten Fluchtinstinkt, und by the way, dieses klaffende Jeanshemd schmeichelte Ewas Brüsten zweifellos. Über der üppigen Oberweite hielt ein glänzender Druckknopf den spannenden Stoff gerade noch so zusammen. Das müsste mir mal passieren.
    »Was willst du?«, riss Ewas Stimme Jule aus der Starre, ruhig und bestimmt.
    »Ich-ich möchte mit dir reden, Ewa. Wegen gestern.«
    »Gut. Du willst dich entschuldigen?«
    Jule hob den Kopf. »Entschuldigen? Warum? Wofür?«
    »Das fragst du noch?« Schlagartig verfinsterte sich Ewas Miene. »Ey, geh weg!« Sie marschierte los, doch Jule parierte, bekam einen Ärmel zu fassen und hielt Ewa zurück. Das brachte ihr einen vernichtenden Blick ein.
    Moment mal, womit hatte sie diese kühle Abfuhr verdient? Weil der Kuss erst im Taxi stattgefunden hatte und nicht schon früher? Dein Fehler, Fräulein. Du hast um den heißen Brei getextet statt dich ranzuschmeißen. »Was wirfst du mir denn bitteschön vor?«
    »Eine Menge, Schweitzer«, zischte Frau B. geladen. »Ich bin stinksauer auf dich! Mich unter der Woche so dermaßen abstürzen zu lassen. Findest du das witzig? Wolltest du, dass ich hier Ärger kassiere?«
    »Stopp mal, Fräulein. Du bist bei mir aufgekreuzt.«
    »Weil ich mir Sorgen gemacht habe, Jule. Weil ich wissen wollte, was in letzter Zeit mit dir los war.«
    Jule lachte auf. »Seelsorge mit Wodka. Na klar. Sehr feinfühlig.«
    »Sonst sprichst du ja nicht über Privates.«
    »Also gibst du hiermit zu, dass du dir den Kater selbst eingebrockt hast?«
    »Konnte ich ahnen, dass du zierliches Ding Żubrówka wie Wasser wegbecherst?« Ewa schnaubte, Jule schrumpfte. »Denn genau das hätte ich gebraucht, Jule. Wasser, und jemanden, der nicht wüst nachschenkt, sondern auf die Bremse tritt. Du, ich hing die halbe Nacht über dem Klo, falls es dich interessiert.«
    »Mir geht es auch mies«, sagte Jule sanft und versuchte es erneut mit einem entwaffnenden Lächeln.
    »Komm, lass stecken. Ne halt, spuck’s aus! Ich will das jetzt wissen. Was ist verdammt nochmal dein Problem mit mir?«
    Gute Frage. Wirklich gut. Jule grübelt nach sinnigen Worten, um taktvoll den Bogen zu Ewas Gefühlschaos zu schlagen und … Ach, scheiß drauf. Babett-Taktik. Energisch trat sie einen Schritt nach vorne, packte Ewa am Hemdkragen, riss sie an sich und knutschte los. Ein inniger Schmatz voll auf dem Mund mit Saugglockengleichem Nachdruck, so, basta, der Kuss hatte gesessen. Das Resultat? Ewas Wangen glühten wie durchgetoastet nach einem Marathon im Solarium. Fahrig zerwühlte sie ihr Haar, fixierte die Deckenbeleuchtung, räusperte sich, schwieg, musterte ihre Schuhspitzen und kaute am Daumen. Mit pochendem Herzen verfolgte Jule jede Geste, aber lange war dieses Gezappel echt nicht auszuhalten. Beherzt griff Jule ein und nach Ewas Händen, und umschloss sie sanft mit ihren.
    »Ewa«, flüsterte sie.
    Bei dieser Berührung sah ihre Kollegin auf. Nur ließ sich der aufgewühlte Ausdruck in den Knopfaugen nicht deuten. Boar, Bogacz, bist du jetzt verzaubert oder verstört? Immerhin, irgendwas schien Ewa nach dieser Aktion gecheckt zu haben. »Jule, was … ist letzte Nacht passiert?«
    Erleichtert atmete Jule aus. Puh, Kurve gekriegt und Thema getroffen. Endlich konnten sie Klartext reden. Sofern der Schubrrr nicht alle Details aus Ewas Hirn geätzt hatte. »An was kannst du dich denn noch erinnern?«, fragte Jule vorsichtig.
    »Wir haben getrunken. Und ich hab die Chicago -Bilder bewundert.«
    Das war korrekt soweit, trotzdem verschlug es Jule die Sprache. Gütiger Filmriss, das war ja höchstens ein Fünfzigstel des gesamten Abends, und zudem der Teil ohne Zungenakrobatik. Willst du mich verscheißern, Fräulein? »Und dann?«, bohrte Jule nach.
    »Haben wir weitergetrunken? Ziemlich viel? Irgendwann hab ich mir ein Taxi gerufen und bin los? Stimmt doch, oder?« Hoffnungsvoll blickte Frau B. sie an. »Oder war da noch was?«
    Jule schwieg und biss
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