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Ehemänner

Ehemänner

Titel: Ehemänner
Autoren: Angeles Mastretta
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    A n einem orange schimmernden Abend öffnete Julia Corzas ihrem dritten Ehemann die Tür. Er war ein Muster von einem Mannsbild mit zupackenden Händen und munter blitzenden Augen, das sich einst für den Liebling der Götter gehalten hatte. Seine Schultern bewahrten immer noch den Zauber eines Zigeuners und seine Füße den Gang eines Kriegers. Sein Haar war einmal kastanienbraun gewesen, doch als sie ihn jetzt auf der Schwelle ihres Hauses stehen sah, verweilte das Licht, das seine Stirn erleuchtete, auf seinen grauen Schläfen und milderte die Geste, mit der er sie begrüßte, ohne den Mund zu öffnen.
    »Man sollte immer darauf achten, gut auszusehen«, sagte er wie zu sich selbst.
    Als sie ihn kennen lernte, war Julia Corzas blass gewesen wie ein Spatz, unbesonnen wie ein Kanarienvogel, starrköpfig wie ein Specht, in sich gekehrt wie eine Eule, unermüdlich, als wäre sie ein Kolibri. Solch unterschiedliche Flügel bei ein und derselben Frau formten ein attraktives, unstetes Geschöpf, das stets darauf bedacht war zu betonen, dass es nichts mehr erstrebe, als zur Ruhe zu kommen. Fortan schlief er in ihrem Bett zwischen dem einen und dem anderen Ehemann.
    Seit vielen Jahren hatten sie sich nicht mehr gesehen. Neun waren es her, seit er gegangen war und sich Julia dem mittleren Alter näherte, ein trauriges Buch las und dabei die fröhlichste Frau war, die es unter der späten Abendsonne je geben konnte.
    Sie holten das Schachbrett hervor. Unten lag verschlafen der See. Julia Corzas lächelte, wobei eine Reihe hübscher kleiner Zähne zum Vorschein kam. Es gab wenige Landschatten, die so perfekt waren wie Julias Lächeln mit den Bergen im Hintergrund, Julias Augen, die mit diesem Anflug von Schalk, den sie nie verloren, aufs Wasser blickten, Julias Kopf, der, wie er wusste, rund um die Uhr einer Hintergrundmusik eigener Erfindung lauschte.
    »Wo hast du dich nur herumgetrieben?«, fragte sie.
    Er zog eine Zwanzig-Centavo-Münze aus seiner Hosentasche hervor, wie sie Mitte des letzten Jahrhunderts in Mexiko im Umlauf war. Die hatten sie benutzt, um je nach Kopf oder Zahl zu ermitteln, wer den ersten Zug tun durfte. Er warf sie in die Luft.
    »Kopf!«, bat Julia Corzas fast im gleichen Moment, als er die Kupfermünze mit beiden Händen auffing.
    »Zahl!«, sagte er und zeigte die Münze mit dem Landeswappen auf der einen Seite, dem Adler, der die Schlange frisst, und mit der von einer phrygischen Mütze erleuchteten Pyramide auf der anderen.
    Er machte es sich ihr gegenüber bequem.
    »Und was ist aus deinem Mann geworden?«, fragte er.
    »Mein Mann ist mit der Frau eines anderen Mannes auf und davon.«
    »Endlich«, sagte er.
    »Glaub ja nicht, dass du in mein Bett darfst.«
    »Ich habe es nie verlassen«, sagte er.
    Julia brauchte einen Schnaps. Er wollte auch einen.
    »Hast du Schokolade?«, fragte er.
    »Du bist der einzige Mann, der Schokolade mag.«
    »Warum ist dein Mann gegangen?«
    »Warum gehen die Männer? Warum bist du gegangen?«
    »Ich bin doch hier«, sagte er.
    »Jetzt«, sagte Julia Corsas, und ein Engel huschte vorbei mit seinem Schwall aus Schweigen.
     
     
     
    Jeder, der sich auskennt, ahnt,
    dass hinter dem Schweigen eines Engels
    immer eine Geschichte steckt.
    Oder viele.
     

Alles oder nichts
    Da konnte einen schon die Wut packen, denn nachdem man sich dermaßen geliebt hatte und immer wieder auf andere Art, war es ein Jammer, jetzt, nach den zweihundert Jahren, die sie sich bereits kannten, auseinanderzugehen, einfach so.
    Von zweihundert Jahren sprach sie, da sie mit der Zeit zu der Überzeugung gelangt war, dass es so sein musste. In ihrem eigenwilligen Glauben an das Absolute bediente sie sich aus allen ihr zur Verfügung stehenden Religionen, und die Sache mit den mehreren Leben, den jungen und den alten Seelen, hatte ihr auf Anhieb gefallen, weil es sich anhörte wie eine aus silbernen Fäden gesponnene Wahrheit.
    Nichts ließ sie an dem Glauben zweifeln, dass sie sich schon zu lange kannten, um sich noch zu erinnern, seit wann genau. Sicherlich, so vermutete sie, waren sie sich zum ersten Mal im Jahr 1754 begegnet, vielleicht in Valencia, und ein weiteres Mal oder viele weitere Male im Laufe des 19. Jahrhunderts, mitten in einem Krieg oder auf einem Ball, doch ihre Begegnung im Jahr 1967 auf einer Treppe unmittelbar im Zentrum von Puebla hatte den letzten Ausschlag gegeben, und zwar mit glücklichem Ausgang, obwohl es auch diesmal, wie schon so manches Mal, um ein Haar ein
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