Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Violett ist erst der Anfang

Violett ist erst der Anfang

Titel: Violett ist erst der Anfang
Autoren: Judith Hueller
Vom Netzwerk:
fest.
    »Schingst du mir wasch vor?«, bettelte eine benebelte Bogacz. »Du schingscht imma schön, scho wunderschön, Lule.«
    Bei dieser butterweichen Stimme brach Jule rettungslos ein. Wie verletzlich Ewa aussah. Ihre Augen waren geschlossen und signalisierten grenzenloses Vertrauen. Vorsichtig strich Jule über den blonden Wuschelkopf, nahm einzelne Strähne wahr und drehte sie verspielt zwischen den Fingern. Erst war es nur ein Summen, das über Jules Lippen kam, dann sang sie tatsächlich, ganz leise, und lauschte dabei Ewas Atem. Ruhig ging er und gleichmäßig. Ein zufriedenes Lächeln lag auf ihrem Gesicht, als würde sie jede Berührung genießen. Versonnen musterte Jule die vielen kleinen Muttermale, niedlich verstreut auf den glühenden Bogacz-Bäckchen. In Ewas Augenwinkeln entdeckte sie feine Linien. Keine Spuren von Kummer, sondern Lachfältchen. Bestimmt würden es noch mehr werden mit den Jahren und …
    »Lule, wir zschwei«, nuschelte Ewa kaum verständlich und grub ihren Kopf noch tiefer in Jules Schoß. »Wir bleiben imma zuschammen. Imma. Wie Violett.«
    Wie bitte? Jule schluckte schwer. Ewa hatte das soeben tatsächlich gesagt, Suff hin oder her. Sie beide … zusammen … für immer. Es flimmerte vor ihren Augen, überall tanzten Sternchen, ihr wurde schwindlig, klarer Knockout, während die Worte in Endlosschleife nachhallten. Das war … das war wie … Himmel, Harfenklang und Wattewölkchen und …
    »Takschi, Lule.«
    Abrupte Bruchlandung von Wolke Sieben. »Taxi?«, wiederholte Jule. »Du willst nach Hause? Jetzt? Aber du kannst so angeschossen nicht mehr auf die Straße.«
    »Isch will in mein Bett. Schofort!« Mit ausladenden Gesten kämpfte sich Ewa in die Senkrechte. Ihr Blick schielte bedenklich, doch loderte er mit einer Entschlossenheit, die keine Widerworte zuließ. Notgedrungen schaltete Jule in den Aktivmodus. Während sie ein Taxi orderte, half sie Ewa in Schuhe und Jacke. Sie fischte einen Zwanziger aus der Geldbörse, steckte den Wohnungsschlüssel ein, warf sich Ewas Tasche über und legte sich Ewas Arm um die Schultern, sah den Motorradhelm, verflixt, klemmte sich den auch noch an irgendeinen freien Finger und transportierte den torkelnden Zwerg wie einen Verwundeten übers Schlachtfeld heldenhaft hinaus auf die Straße. Dort war Warten angesagt.
    »Ewa, kurzer Test. Sag deine Adresse.«
    »Pffaaazzzek hümpfffzen.«
    »Verstehe. Wo ist dein Handy? In deiner Tasche?«
    »Grrennfffzzz«, kam ziemlich unkooperativ zurück.
    Mit einer Hand stützte Jule die pendelnde Ewa, mit der anderen durchwühlte sie deren Umhängetasche. Nichts. Auch in der Jacke fand sich kein Handy. Ho-Hosentasche? Vorsichtig tauchten Jules Finger ab. Viel zu deutlich spürte sie die warme Haut unter dem Jeansstoff. Sehr warm, angenehm weich, sehr … Glucksend zuckte Ewa zusammen, trat ihr dabei auf den Fuß, jaul, und schlang sich noch inniger um Jules Hals. Super. Das half jetzt nicht wirklich. Tapfer fummelte Jule weiter und bekam endlich das Handy zu fassen. »Ewa, wie heißt deine Mitbewohnerin?«
    »Ffffziia.«
    Tja. Hieß nüchtern Felicia? Finja? Frieda? Oder angesichts des hohen Nuschelfaktors Pia? Sophia, irgendwas mit ia? War schließlich ein klitzekleiner Unterschied in einem alphabetisch geordneten Nummernspeicher. Angestrengt klickte sich Jule durch das Adressbuch und hoffte inständig, dass die Erinnerung zurückkehrte. Nach Drehschluss hatte Ewa ihre Mitbewohnerin erwähnt, irgendwann mal. Studentin. Mehr war leider nicht hängengeblieben. Halt, hier gab es ein Home-Sweet-Home. Konnte der Festnetzanschluss in der WG sein. Oder die Nummer von Ewas Eltern.
    Hallo, guten Abend, Frau Bogacz! Verzeihen Sie die späte Störung, aber ich habe Ihre volltrunkene Tochter am Hals hängen … Nein, das ist schon okay. Ich weiß nur nicht, wie ich sie ins Bett kriegen soll. Hätten Sie zufällig einen Tipp, wie ich sie …
    Schnell schob Jule den Gedanken beiseite. Diese Nummer hatte eine Berliner Vorwahl. Die Bogacz-Sippe lebte zwar in Deutschland, jedoch definitiv nicht in der Hauptstadt. Nach gefühlter Ewigkeit meldet sich eine verschlafene Stimme mit … Tanja. Und im Schweitzer’schen Hirn machte es klick, bei der war sie richtig. »Hier ist Jule, Kollegin von Ewa. Die kommt gleich mit einem Taxi längs und könnte Hilfe brauchen. Sie ist leider, äh, außer Betrieb.«
    »Żubrówka?«
    »Treffer!« Jule musste grinsen. »Bist du so lieb und greifst ihr unter die Arme? Trichter ihr Wasser
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher