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Violett ist erst der Anfang

Violett ist erst der Anfang

Titel: Violett ist erst der Anfang
Autoren: Judith Hueller
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mit streichelndem Meereswind im Haar, dazu Rauschen im Ohr und Blick auf tanzende Wellen, unendliche Weite. Seemöwengleich ließ Jule sich treiben, ihre Muskeln lockerten sich, und sie ließ sich fallen in diesen Moment in Ewas Armen, hach und … Stopp! Hastig löste sich Jule von ihrer Kollegin.
    »Stimmt was nicht, Jule?«
    »Ja, ich meine, nein. Ich hab nur … ich bin … erkältet. Womöglich. Will dich nicht anstecken.«
    »Ach du Scheiße. Dann komm. Heiß hilft immer.« Und schon nahm Ewa sie an der Hand und schleppte sie ab, direkter Kurs auf den Kaffeeautomaten.
    Routiniert drückte sie die Knöpfe, bis der mannshohe Blechkasten röchelnd Cappuccino-Fake-Plörre in einen Pappbecher tröpfelte. Dabei brabbelte sie ohne Punkt und Komma über ihr Highlight im Studio, das aus ihrem Munde so bahnbrechend klang wie die Entdeckung Amerikas durch Columbus. Jule lauschte neugierig und zugleich amüsiert, lehnte sich gegen den Automat, zwirbelte an ihrer Halskette herum und beobachtete ihre Kollegin. Was glüht an dieser Frau eigentlich nicht? Blick, Wangen und Ohren standen immer in irgendeiner Form in Flammen. Das rechte Ohrläppchen schien zum dunkelsten Farbton fähig. Warmes Karminrot? Oder eher saftiges Kirschrot? Variierte das von Fall zu Fall, je nach Stimmung? Aktuell herrschte Freude, und Ewas ungefilterte Euphorie war mitreißend, und so lächelte Jule, zum ersten Mal unverkrampft an diesem durchwachsenen Tag, der … Heilige Scheiße, heiß! Heißer Kaffee auf meiner Leggins!
    »Kackmist!«, fluchte Ewa lautstark, dann folgte Stammeln. »So-Sorry. War keine A-Absicht.«
    »Schade, du bist nämlich süß.« Shit. Es war Jule rausgerutscht, einfach so. Reflex, ein Drehbuchfolgeschaden und was für ein selten dämlicher, wie entsetzlich fatal ausgerechnet in dieser Situation. Ihr Puls hämmerte, sie schnappte nach Luft und spürte Ameisen, Ameisen, überall auf der Haut und kribbelnd im Bauch, und Hitze schoss in ihren Kopf, als sie die fanfictiongleiche Lage erfasst.
    Flurboden. Sie kniete. Vor ihr eierte ein Pappbecher in einer Kaffeepfütze rum, parallel suppte braune Brühe durch die Leggins und ihre Finger berührten andere Finger. Schöne, gepflegte, extrem weiche, und Jule sah hoch, direkt in … Grundgütiger, braun mit Grünstich. Diese Augen. Dieser unglaublich sanfte Blick von Viola, Quatsch, von Ewa, die – verdammt!
    Überfordert fasste sich Jule an die Schläfe. Falscher Film. Genau genommen, äh, gar kein Film.
    »Tut mir leid, Jule. Ist mir blöd aus der Hand gekippt.« Ewa kramte ein Taschentuch aus ihrer Jeans und tupfte los, sehr feinfühlig auf Jules Oberschenkel, höher und höher und …
    »Genug!« Jule keuchte, sprang auf und gleich einen Meter auf Sicherheitsabstand.
    Ewa hob eine Augenbraue. »Äh … alles okay?« Eine Strähne verfing sich dabei in ihrer Wimper, was süß aussah, Himmel, extrem süß, und Jules Nerven lagen endgültig blank. Nur ein Wort kam ihr noch über die Lippen. »Mi-Migräne.« Und weg war sie.

KAPITEL 3

    Erkältung, Migräne, Violett-Virus. Wie auch immer man es taufte, es schlug unschön aufs Gemüt. Im Schneidersitz hockte Jule vor ihrer Waschmaschine und sah den Klamotten beim Rotieren zu. Eine karierte Socke hatte ihre Aufmerksamkeit und ihr volles Mitgefühl. Keine Panik da drin, halt durch. Schleudergang ist Mist, aber du kommst da wieder raus, hörst du? Nämlich exakt in fünf Minuten, so prophezeite es die Timer-Anzeige. Wann Jule dagegen den Ausgang aus ihrer Dauerschleife fand, wusste sie nicht. Ewa, Ewa, Ewa. Und ja, ja, ja, Jule war mal wieder weggelaufen und ja, ja, ja, mit dieser Schisser-Taktik löste sie kein Problem, schon klar. Aber welche Erkenntnis sollte sie denn bitteschön ziehen aus diesem Tag? Schweitzer, du bist verklemmt und spießig. Na und? Ewas Berührungen brachten sie aus dem Tritt. Punkt. War das nun ein Zeichen von Intoleranz oder Begehren? Keine Ahnung, die Situation war auf jeden Fall beknackt. Punkt. Sturmgeklingel verbesserte die Stimmung nicht wirklich. Alter Verwalter, geht’s noch? Mit einer Fluchtirade auf den Lippen öffnete Jule die Wohnungstür und verstummte.
    »Überraschung!« In der Tat, die war Ewa geglückt.
    Jule wich zurück. Blöder Fehler. Diese Geste verstand ihre Kollegin offenbar als Hereinspaziert. Sie drängelte in die Wohnung, gab der Tür einen Tritt, drückte Jule einen roten Motorradhelm in die Finger und pellte sich aus ihrer Jacke.
    »Hab neben den Mülltonnen geparkt«, sagte Ewa,
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