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Meistbietend ersteigert

Meistbietend ersteigert

Titel: Meistbietend ersteigert
Autoren: Ashan Delon
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1.
    „Wie viele Kuchen sind schon da?“
    Die Stimme seiner Mutter riss Jens komplett aus seiner Konzentration. Er fuhr erschrocken herum, stieß dabei den Farbeimer um und konnte nur noch hilflos zusehen, wie sich die Lackfarbe in einem Schwall über den Boden ergoss.
    „Mist!“, fluchte er herzhaft, warf den Pinsel einfach zur Seite und versuchte zu retten, was zu retten war. Doch die knallrote Flüssigkeit, die seine großen Reklamebuchstaben in die Aufmerksamkeit der Betrachter rücken sollte, ließ sich weder aufwischen, noch davon abhalten, in die Ritzen und Löcher des spröden Pflasters zu laufen, mit welchem der Hinterhof ausgelegt war. Vielleicht hätte er es doch sein lassen sollen, dem Werbeplakat für ihr Fest noch einen letzten Schliff zu verpassen. Er war weder Marketingprofi noch Künstler, und dass er gedacht hatte, die Buchstaben noch etwas ausgeprägter gestalten zu müssen, obwohl er es zwei Tage zuvor für perfekt gehalten hatte, wurde nun anscheinend bestraft.
    „Mist!“, stieß er abermals hervor.
    Seine Mutter trat neben ihn, stützte die Hände in die Hüften und blickte ihn strafend an.
    „Das sieht jetzt aus, als wäre hier eine Leiche gelegen“, murrte sie griesgrämig. Doch in ihren Augen lachte bereits der Schalk und wenig später brach er auch schon aus ihr heraus, indem sie zu kichern begann. „Das sollten wir uns für die Halloween-Party merken.“
    Jens knurrte nur, holte den Wasserschlauch und versuchte, die zähe Farbe in die Ritzen zu spülen, ehe sie in der Sonne trocknen konnte. Das Pflaster, das noch aus der Jahrhundertwende stammte, beherbergte sicherlich schon so manche Geheimnisse, die er lieber nicht lüften wollte. Vor fünfzig Jahren waren hier noch Transporter mit Materialien für die alte Näherei über die buckeligen, alten Granitsteine geholpert. Jetzt, nachdem Jens Familie die seit Jahren verlassene Fabrik aufgekauft und renoviert hatte, diente es nur noch als Abstellplatz und gelegentlich sogar als Atelier für Jens Plakatmalerei.
    Er war absolut nicht künstlerisch begabt. Dennoch machte es ihm Spaß und er konnte sich komplett darin verlieren. Er selbst fand seine Ergebnisse eher mau. Das war ihm jedoch allemal lieber, als unter der Aufsicht seines Vaters Tische und Stühle zu schleppen. Ein richtiger Künstler konnte das riesige drei Meter lange „Wohltätigkeitsveranstaltung“, das am morgigen Tag über dem Eingang hängen sollte, sicherlich noch mit hübschen Hieroglyphen versehen, es mit Schnörkel und dergleichen verzieren und so in das Augenmerk der Betrachter rücken, dass es auch dort haften blieb. Seine Buchstaben waren zwar groß und gut lesbar, jedoch schmucklos und langweilig. Seiner Familie gefiel es trotzdem, zumindest erfüllten seine Werke immer ihren Zweck.
    „Wie viele Kuchen sind eigentlich schon da?“, erkundigte sich seine Mutter erneut, nachdem Jens den Schlauch weggelegt hatte und zu ihr zurückkehrte. Sie half ihm, das Malzeug in einer Kiste zu verstauen und in einen Schuppen zu bringen, der ihrer Familie als Werkstatt diente.
    Jens zuckte mit den Achseln und überlegte kurz. „Als ich das letzte Mal im Kühlraum nachsah, waren es ungefähr dreißig“, erzählte er und wischte sich seine rot besprenkelten Hände an der schmutzigen Cargo-Hose ab. Kuchenspenden von backfreudigen Leuten waren auf jeder Veranstaltung gern gesehen. Die bunte Mischung von Selbstgebackenem wurde auch von den Gästen äußerst willkommen geheißen. Sie gingen jedes Mal weg wie warme Semmeln und brachten viel Geld ein. „Aber vor einer halben Stunde kamen noch ein paar Leute, um was abzugeben. Ich war mit dem Plakat beschäftigt, deswegen habe ich mich nicht drum gekümmert. Susi ist mit ihnen in den Kühlraum gegangen.“
    Susanne war seine zwei Jahre jüngere Schwester. Die ganze Familie war eingespannt. Vor Beginn der Veranstaltung war große Hektik angesagt. Es wurde hin- und hergeräumt, dekoriert, geputzt, Tische und Stühle in den großen Saal getragen, wo einst Hunderte von ratternden Nähmaschinen gestanden hatten. Die Jüngste der Westerfeldt-Kinder, Carola, dekorierte nun schon seit Tagen den Festsaal mit Tüchern, Vorhängen, Blumen und Glitzerschmuck. Es sollte ein großes Fest werden, das viel Geld für Überflutungsopfer reinbringen sollte.
    Jens Familie engagierte sich, seit er denken konnte für wohltätige Zwecke. Seine Eltern waren beide Sozialarbeiter, kämpften mit Leib und Seele für die Mittellosen oder die Opfer von
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