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Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition)

Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition)

Titel: Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition)
Autoren: Karsten Kruschel
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nach dem Grund der Vorfälle um Orsini und Bomarzo, und es war so ungeklärt wie die Grammatik der Hzn-Sprache. Der Weltenkreuzer VILM VAN DER OOSTERBRIJK flog noch diese fünf Monate lang, wenn er auch in einem schlechten Traum zu fliegen schien. Ein Landungsschiff stürzte ab und zerbarst auf einem kahlen Planeten so vollständig, dass die Ursache der Havarie nicht mehr feststellbar war. Ein Reparaturtrupp wurde in einer Kraftfeldkammer eingeschlossen und in Atome zerblasen, als ein Testprogramm einige Minuten früher anlief als vorgesehen. Einer der angesehensten Systemtechniker des Netzes vergriff sich beim Mischen seines persönlichen Äthyltees und ätzte sich mit falsch kombinierten Drogen das Hirn leer. Drei Gleiter wurden von Gewittern auf dem Blitzmond von Oniskus zerfetzt. Jonathan Vliesenbrink bekam heraus, dass die Zentrale ihn überwachen ließ, und machte ein Riesengeschrei.
    Das war die Kette von Unglück, die mit She Tsi begonnen hatte und die Eliza wieder und immer wieder durchlebte – mit jener grauenhaften Szene in der Zentrale als Beginn und Ende jedes Alptraums – Alpträume, die von den Minuten der Ruhe kaum unterbrochen wurden. Sie sah jemanden über sich gebeugt, spürte die Fesseln sich lösen, Nahrung den Schlund hinuntergleiten und -schmerzen, spürte Wind auf ihrer Haut und hörte dumpf und weit entfernt Worte der Beruhigung. Ohne Übergang versank sie wieder im Karussell der quälenden Bilder. Eliza sah She Tsi und Lafayette einander mit Lichtblitzen bekämpfen. Eliza sah die über zwei Meter große, breitschultrige Gestalt des wütenden Vliesenbrink, der von acht Sicherheitsleuten nicht festgehalten werden konnte, auf den Lafayette einredete wie auf einen kranken Bären. Eliza sah die Schatten von unvorstellbaren Ungeheuern langsam aus den Schmutzrändern verblichenen Kunststoffs kriechen. Eliza sah den Kommandanten eines Landungsschiffes auf dem Bildschirm, und eine giftiggrüne Feuerwand schlug durch den Raum und riss den Leuten das Fleisch von den Knochen; die Verbindung brach den Bruchteil einer Sekunde zu spät zusammen. Die Kamera zeigte gnadenlos, was beim Zusammentreffen von menschlichem Gewebe und überheißem Plasma geschah. Eliza sah verbrennende Flugmaschinen im blauen Licht der Blitze des tückischen Oniskus-Mondes, hübsche regenbogenbunte Funken an einem blauschwarzen Himmel. Eliza starrte in das blöd sabbernde Antlitz des Mannes, der bis vor wenigen Stunden einer der intelligentesten Menschen an Bord gewesen war. Eliza hörte den erstickten Schreckensruf des Operators, der die Existenznachweise der Männer vom Reparaturtrupp erlöschen sah, und sie sah Lafayettes Gesicht, als er die Zentrale betrat, in den Händen eine Plastiktüte, die sechseinhalb Pfund feinen grauen Staub enthielt – alles, was von fünf erwachsenen Menschen übrig geblieben war. Und dazwischen und davor und danach immer wieder: den kopflos umsinkenden Körper, aus dessen Faust ein greller Strahl leuchtet. Die ebene Fläche zwischen den Schultern, aus deren Mitte eine unregelmäßige rote Fontäne entspringt. Den unglaublichen Schatten, den diese Szene auf die Wand der Zentrale wirft.
    Einmal wurde Eliza von Stimmen aus ihren Träumen geweckt, heftigen Stimmen, die laut stritten. Es ging um Medikamente und Rettung und den Satz »Aber wieso gerade die?«, den sie erst später verstand. Sie schlug mühsam die Augen auf.
    Lafayette war nicht da. Das Medlabor des Weltenkreuzers war auch nicht da. Nichts Vertrautes war zu sehen. Keine pastellfarbenen Wände. Keine blinkende Technik. Keine watteweichen medizinischen Stützen, die ihren Körper trugen, als läge er auf einer Wolke. Stattdessen lag sie nackt in einem aufgeschlagenen Schlafsack. Neben ihrem Lager standen zwei Frauen, die eine hielt die andere an den Handgelenken fest. Es tat weh, das war zu sehen. Die Festgehaltene, eine kleine dralle Person, deutete mit den Augen auf Eliza. Die andere Frau ließ los, blickte verlegen auf die Kranke, ehe sie hastig das Zelt verließ.
    Elizas Augen schlossen sich langsam. Sie spürte schwach den Einstich der Injektionsnadel. Von diesem Zeitpunkt an ging es aufwärts mit ihr.

2. Die zerbrochene Stadt
    Nach einigen Tagen war sie kräftig genug, wieder zu sprechen. Es war anstrengend und schmerzte, aber es half aus dem ewigen Alp heraus und gab ihr das Gefühl, sie sei am Leben. »Wo ...?«, war das erste, was sie unter Mühe formulierte.
    »Im Zelt«, bekam sie zur Antwort, und damit war das erste Gespräch
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