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Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition)

Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition)

Titel: Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition)
Autoren: Karsten Kruschel
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einmal umgeworfen, aber Gerda hatte die Blässe ihres Gesichts und den Klang ihrer Stimme richtig gedeutet und geistesgegenwärtig reagiert. Es war, genau betrachtet, erstaunlich für eine so kleine Person wie Gerda, die immerhin anderthalb Köpfe größere Eliza aufzufangen und allein wieder zur Pritsche zu schleppen.
    Nach einigen Wochen hatte Eliza einen guten Überblick über das Ganze, auch wenn sie anfangs nur Alpträume gehabt hatte. Was einmal die VILM VAN DER OOSTERBRIJK gewesen war, hatte sich in ein Trümmergebirge unfassbaren Ausmaßes verwandelt. Es gab keinerlei Möglichkeit, diesen düsteren Planeten zu verlassen – wenn intakte Raumfahrzeuge existierten, waren sie begraben im Tausende Tonnen schweren Schrotthaufen. Auch irgendwelche Kommunikationsmittel gab es nicht, keine Chance. Menschliche Ansiedlungen, Raumbaken oder wenigstens Automatensonden waren von hier aus nicht erreichbar. An Atibon Legba war nicht zu denken.
    Es gab allerdings ein einzelnes Zelt, in dem Funker und Techniker an einer Sendestation arbeiteten. Die Leute taten den ganzen trüben Tag lang nichts anderes. Aber es war eine Radiostation, was sie da zusammenschraubten, gute alte elektromagnetische Strahlung, die im Schneckentempo der Lichtgeschwindigkeit durchs All reisen würde. Eliza wusste ungefähr, wo die VILM VAN DER OOSTERBRIJK im Augenblick der Katastrophe gewesen war, und daher war ihr klar, dass die Signale dieser Funkstation runde anderthalbtausend Lichtjahre bis zum nächsten menschlichen Vorposten zurückzulegen hatten. Plus minus zehn Lichtjahre, in etwa. Und fünfzehn Jahrhunderte waren ein bisschen lang für eine Rettungsexpedition, fand Eliza.
    »Was meinst du«, sagte sie zu Gerda, »wenn jemand hier seine Zeit und Kraft an ein Projekt verschwendet, das vollkommen sinnlos ist, ihm aber eine Beschäftigung gibt – sollte man ihn aufklären oder lieber nicht?«
    Gerda sah die Zentralierin erstaunt an. Eliza dachte kurz daran, ihr die Gründe für die seltsame Frage zu erklären; dass sie sich unsicher fühlte ohne jenen großen Apparat, in dem jeder seinen festen Platz hatte. Dass sie sich unkomplett vorkam, wenn sie so lange Zeit die rote Linie nicht berührt, die Gegenwart des großen klugen Netzwerks so lange nicht gespürt hatte. Dass sie unbehaust war. Den Siedlern, also den Passagieren, ging es anders, die hätten am eigentlichen Ziel ihrer Reise ähnlich angefangen, zurückgeworfen auf elementare Mittel. Nicht ganz so primitiv freilich, ohne den Schock der Trennung vom intellektuellen Bezugspartner, und geplant. Jeder von denen hatte gewusst, was ihn am Ende der Reise erwartete: ein ungezähmter Planet. Aber von diesen Überlegungen erwähnte Eliza nichts gegenüber Schwester Gerda.
    Die überlegte gründlich. »Es wäre besser«, sagte sie dann, »es ihnen zu sagen. Wir brauchen hier jeden. Es gibt so viel zu tun ... Bist du dir sicher, dass die Funkstation vollkommen sinnlos ist?«
    Sie hatte mit untrüglichem Instinkt erraten, worum es ging. Eliza ließ sich ihre Überraschung nicht anmerken, nahm sich aber vor, Gerda bei Gelegenheit nach ihrem erlernten Beruf zu fragen.
    Zuerst ging sie in jenes einzeln stehende Zelt, das nässetriefend abseits stand. Darin waren – neben etlichen Zentnern Elektronik, nach einem nicht erkennbaren Plan gestapelt – drei junge Männer. Einen kannte sie. Vor einigen Wochen und in einer völlig anderen Welt hatte sie ihn angebrüllt und ihm verschiedene hässliche Dinge angedroht, die seine dienstlichen Verfehlungen betrafen. Sie sah ihn überrascht an. Er war nach wie vor hübsch, o ja, aber um den Mund hatten sich einige harte Falten eingegraben. »Hallo«, sagte Eliza beklommen, »ich wollte mal nachschauen, was ihr so treibt. Und euch ... hm, helfen.«
    »Hallo«, sagte der Junge. Nachdem er die Zentralierin trotz ihres Gewichtsverlustes wiedererkannt hatte, setzte er spöttisch hinzu: »Welch eine Ehre.«
    »Wo ist dein Freund? Bastelt er auch mit?« Eliza ließ den Blick durch das Zelt schweifen; da gab es eine Menge Werkzeug und allerlei Elektronik in verschiedenen Stadien des Zerlegens und Zusammenbauens. Dazwischen waren Kleinteile verstreut, und es standen benutzte Kaffeetassen herum, diese schlanken serafimischen Tassen mit den feinen Ornamenten am Rand. Einige der Gefäße waren mit bunten elektronischen Dingen gefüllt. Das Chaos schien eine Ordnung zu haben: In der Mitte des Zeltes thronte, sorgsam in einen knisternden Folienmantel gehüllt, ein offenbar
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