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Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition)

Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition)

Titel: Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition)
Autoren: Karsten Kruschel
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Buntheit unangenehm hervor. Das eintönige gedeckte Weiß in der Zentrale war scheckig und verblichen, hier und da sogar schmutzig. Kein Zentralier hatte jemals ein Wort dagegen gesagt; mit manchen dieser Flecken war man durch Erinnerungen verbunden. Keiner hatte jemals vorgeschlagen, etwas gegen diese Misstöne zu unternehmen. Sie machten das langweilige Design der OOSTERBRIJK erträglicher. Im Licht einer Werferentladung allerdings bekamen die Male eine unheilvolle Bedeutung. Die grelle Ausleuchtung ließ den Weltenkreuzer alt und gebrechlich wirken, dem Zerfall geweiht. Zwischen den Flecken hausten Gespenster. Gespenster, die sich in Elizas Träume schlichen und dort ihr Unwesen trieben.
    Seltsamerweise sparte ihr Gedächtnis auch die anderen Ereignisse für ihren Traum auf, und die Szenen wurden immer wieder ineinandergeblendet und miteinander vertauscht. Die Riesenaufregung in der Zentrale, ein unerhörter Vorfall, drei Leichen. So etwas kam nicht vor in einem Weltenkreuzer der schwersten Klasse, dessen Zentrale von einfachen Sterblichen nicht betreten werden konnte. Aber auch Zentralier waren nur Menschen, wie sich herausstellte. Trotz Sonderstatus, erweiterter Rechte und geheimer Privilegien. Das vermischte sich mit all den anderen Zwischenfällen, und mit dem Tag, da sie Lafayette zum ersten Mal getroffen hatte, lange her, auf Atibon Legba, und in ihrem Traum war ihr, als sei das alles gleichzeitig geschehen.
    Das entsetzte Gesicht des Chefchirurgen in der Zentrale, als der Leichnam des Chinesen untersucht wurde. Den Grund für She Tsis Verhalten fand man schnell: Tief eingebettet in seinem Hirn war eine Kapsel, und in ihr eine winzige vielfach gegliederte Larve, die sich ans Nervennetz ihres Wirtes angeschlossen hatte. Irgendein außerirdisches Scheusal. Nur mit den besten Mikroskopen konnten die Exobiologen die Fortsätze aufspüren, die von dem Ding ausgingen und sich in Hirn und Rückenmark des Chinesen verankert hatten. Es war nicht herauszufinden, woher das fremde Lebewesen stammte. Die Datenbanken des Flottenkommandos gaben nichts her, und auch Nachfragen bei der Goldenen Bruderschaft, auf Karna und Galdäa erbrachten nichts außer haltlosen Gerüchten. Es half auch nicht, dass einer der wenigen Karnesen an Bord, ein riesenhafter Koloss namens Jonathan Vliesenbrink, per abgeschirmter Verbindung mit seinem Onkel Gaston sprach. Der war immerhin ein Weltenkreuzerkapitän auf Atibon Legba, und wenn der nichts herausfinden konnte, dann gab es nichts herauszufinden.
    Man beschloss, die Sache vor Besatzung und Passagieren geheimzuhalten. Noch geheimer als das, was mit Orsini und Bomarzo passiert war. Nur die Zentralier wussten von der unbekannten Kreatur, und auch ihnen fiel es schwer, mit diesem Wissen zu leben. Jetzt waberten nachtschwarze Schatten wie formlose Fledermäuse aus den Hirnen der Menschen und überzogen Elizas Fieberphantasien mit dunklen Flecken. Hin und wieder kam ihr der tröstliche Gedanke, dass dies alles nur Träume waren, nichts Wirkliches. Dass sie aufwachen würde und alles in Ordnung sei. Und immer wieder tauchte diese Gewissheit in tiefere Gebiete des Traums ab und ließ sie mit den Schrecken allein, die dort wohnten.
    Der naheliegende Gedanke daran, was sich aus dem Winzling in She Tsis Hirn entwickelt hätte, war nur die eine Seite des Horrors. Die andere war die Ungewissheit, ob irgendjemand außer ihm einen solchen Keim in sich tragen mochte. Darum war die Information über das außerirdische Gewürm streng geheim. Denen draußen war nicht zu trauen. »Draußen« waren die, die keinen Zugang zur Welt der Zentrale hatten – alle Passagiere und der größte Teil der Besatzung. Der arme Vliesenbrink hatte alle unheiligen Eide schwören müssen, damit er sich ruhig verhielt, und es war ihm eine extrem teure medikamentöse Behandlung angeboten worden, um sein Schweigen zu zementieren. Schließlich sind Karnesen als Hitzköpfe bekannt. Jonathan Vliesenbrink hatte sich diese Zumutung verbeten, in einer Lautstärke, die einen kleinen Alarm auslöste.
    Eine Panik musste vermieden werden. Und wenn es nach dem Zwischenfall mit She Tsi auch keine Anzeichen für Panik gab, so lieferten die nächsten fünf Monate doch manchen Anlass. Diese Anlässe und Zwischenfälle bildeten Schrecken zweiter Ordnung, die Eliza heimsuchten, wenn die Schießerei zwischen She Tsi und Lafayette ihr erspart blieb. Das alles war so rätselhaft wie die Frage nach der Herkunft des epsilonischen Raumschiffes oder
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