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Tagebuch 1966-1971 (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Tagebuch 1966-1971 (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Tagebuch 1966-1971 (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Autoren: Max Frisch
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Fragebogen
    1.
    Sind Sie sicher, daß Sie die Erhaltung des Menschengeschlechts, wenn Sie und alle Ihre Bekannten nicht mehr sind, wirklich interessiert?
     
    2.
    Warum? Stichworte genügen.
     
    3.
    Wieviele Kinder von Ihnen sind nicht zur Welt gekommen durch Ihren Willen?
     
    4.
    Wem wären Sie lieber nie begegnet?
     
    5.
    Wissen Sie sich einer Person gegenüber, die nicht davon zu wissen braucht, Ihrerseits im Unrecht und hassen Sie eher sich selbst oder die Person dafür?
     
    6.
    Möchten Sie das absolute Gedächtnis?
     
    7.
    Wie heißt der Politiker, dessen Tod durch Krankheit, Verkehrsunfall usw. Sie mit Hoffnung erfüllen könnte? Oder halten Sie keinen für unersetzbar?
     
    8.
    Wen, der tot ist, möchten Sie wiedersehen?
     
    9.
    Wen hingegen nicht?
     
    10.
    Hätten Sie lieber einer andern Nation (Kultur) angehört und welcher?
     
    11.
    Wie alt möchten Sie werden?
     
    12.
    Wenn Sie Macht hätten zu befehlen, was Ihnen heute richtig scheint, würden Sie es befehlen gegen den Widerspruch der Mehrheit? Ja oder Nein.
     
    13.
    Warum nicht, wenn es Ihnen richtig scheint?
     
    14.
    Hassen Sie leichter ein Kollektiv oder eine bestimmte Person und hassen Sie lieber allein oder in einem Kollektiv?
     
    15.
    Wann haben Sie aufgehört zu meinen, daß Sie klüger werden, oder meinen Sie's noch? Angabe des Alters.
     
    16.
    Überzeugt Sie Ihre Selbstkritik?
     
    17.
    Was, meinen Sie, nimmt man Ihnen übel und was nehmen Sie sich selber übel, und wenn es nicht dieselbe Sache ist: wofür bitten Sie eher um Verzeihung?
     
    18.
    Wenn Sie sich beiläufig vorstellen, Sie wären nicht geboren worden: beunruhigt Sie diese Vorstellung?
     
    19.
    Wenn Sie an Verstorbene denken: wünschten Sie, daß der Verstorbene zu Ihnen spricht, oder möchten Sie lieber dem Verstorbenen noch etwas sagen?
     
    20.
    Lieben Sie jemand?
     
    21.
    Und woraus schließen Sie das?
     
    22.
    Gesetzt den Fall, Sie haben nie einen Menschen umgebracht: wie erklären Sie es sich, daß es dazu nie gekommen ist?
     
    23.
    Was fehlt Ihnen zum Glück?
     
    24.
    Wofür sind Sie dankbar?
     
    25.
    Möchten Sie lieber gestorben sein oder noch eine Zeit leben als ein gesundes Tier? Und als welches?
     
     
    Statistik
     
    Die durchschnittliche Lebensdauer betrug um Christi Geburt nur 22, zur Zeit von Martin Luther schon 35,5, um 1900 noch 49,2 und heute 68,7 Lebensjahre. Die Lebensverlängerung bedeutet zugleich eine Umschichtung der Altersklassen. Um 1900 stellten die Jugendlichen (bis zum zwanzigsten Lebensjahr) noch 46% der Bevölkerung, 1925 nur noch 36%, 1950 noch 31%, und für 1975 rechnet man mit 28% jugendlichen Menschen. Entsprechend steigen die Altersklassen (nach dem sechzigsten Jahr); um 1900 waren es noch 7% der Bevölkerung, um 1975 werden es 20% sein.

Bodega Gorgot
    Wenn seine Frau ihn nicht unterbricht, sieht jedermann, daß sie nicht mehr zuhört; daß es ihr zu lang wird, wenn er spricht. Er ist Goldschmied. Seine Arbeit wird geschätzt. Eine Fachauszeichnung (Landesausstellung 1939) nimmt er von der Wand. Ein Lehrling und zwei Angestellte haben es gemerkt. Was eigentlich? Das wissen sie nicht, aber sie haben es gemerkt: der Alte meint ihnen den Beweis zu schulden, daß er's besser kann, und sie machen ihn fertig, auch wenn ihm dieser Beweis gelingt. Jetzt sitzt er fast jeden Abend in der Bodega. Die jungen Bärte, ihre Hosenmädchen mit offenem Haar usw., es stört ihn nicht, daß sie nicht arbeiten um 5 Uhr nachmittags.Die Bodega ist auch tagsüber düster. Als junger Mann hat er gearbeitet; das ist ihm geblieben. Nachher geht er nochmals in seine Werkstatt. Einmal kommt sie in die Bodega; er hat schon getrunken und macht eine schlechte Figur. Sie hat es nicht anders erwartet; das weiß er. Sie legt ihre Hand auf seine Hand, bringt den Goldschmied nach Haus. Sein Vater war Volksschullehrer. In mancher Hinsicht, zum Beispiel politisch, weiß er einfach mehr als seine Frau, in andern Dingen weniger; das letztere genügt: wenn sie für seine politischen Kenntnisse oder Meinungen kein Interesse hat, wird er unsicher. Wenn sie behauptet, Trotzki sei erschossen worden, widerspricht er, aber es überzeugt sie nicht; sieht er später in einem Buch nach, so wird er wütend, daß sie ihn hat unsicher machen können. Wochenlang kommt er nicht mehr in die Bodega. Vielleicht hat er eine andere Pinte gefunden, die sie nicht kennt. Sie ist ausgebildete Kindergärtnerin, hat ihren Beruf damals wegen der eignen Kinder aufgegeben; sie macht die
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