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Verzwickt chaotisch

Verzwickt chaotisch

Titel: Verzwickt chaotisch
Autoren: Bettina Belitz
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»Schutzengel?«
    »Es gibt keine Schutzengel! Merk dir das ein für alle Mal. Wir heißen Wächter. Es werden weniger Wächter sein. Ich tippe auf Serdan. Serdans Wächter ist in den vergangenen Wochen öfter weg gewesen. Die dralle Elena dürfte auch langsam allein klarkommen.«
    Ja, Elena machte bestimmt schon huu und haa. Sie war schließlich zwei Jahre älter als der Rest der Klasse, weil sie zweimal sitzen geblieben war, und sah jeden Tag aus, als wäre sie in einen Farbkasten gefallen. Kriegsbemalung. Ich konnte sie nicht ausstehen, weil sie Sofie und mich wie kleine Kinder behandelte. Für Elena waren wir unreife Dummchen, die keine Ahnung vom Leben hatten. Das nervte gewaltig.
    Im Flur sprang das Licht an und wir hörten, wie Papa singend in die Küche tapste und etwas aus dem Kühlschrank holte. Papa sang sonst nie. Er musste in der Tat großen Spaß gehabt haben. Ich knipste rasch die Nachttischlampe aus. Er sollte bloß nicht auf die Idee kommen, nach mir zu sehen.
    Leander ließ sich vom Schreibtisch rutschen, legte sich unter das Fenster aufs Sofa und lauschte. Kurz flackerte Mamas dröhnendes Lachen auf, dann wurde es ruhig. Ich schüttelte mich unwillkürlich.
    »Also kann ich heute Nacht wohl nicht mehr duschen«, wisperte Leander.
    »Ganz bestimmt nicht. Schlaf jetzt.«
    Aber Leander schlief nicht. Neben mir raschelte es in einem fort. Er wälzte sich hin und her, setzte sich auf, zog sein Shirt aus, zog es wieder an, schlug sich das Kopfkissen zurecht, legte sich hin, drehte sich auf den Bauch, auf den Rücken, auf die Seite – kurz: Er verbreitete Unruhe.
    »Was ist denn jetzt noch?«, murrte ich. Sogar der Hund war wach geworden durch Leanders Gezappel und Gefummel.
    Leander knipste das Licht wieder an. Sein Oberkörper war nackt. Er reckte den rechten Arm in die Höhe und deutete mit düsterem Blick auf seine Achselhöhle.
    »Keine Bange, du stinkst nicht«, murmelte ich schläfrig. »Reg dich ab. Man muss nicht jeden Tag duschen. Und so, wie du dich einschäumst, riechst du sowieso wie eine ganze Parfümabteilung.«
    »Das meine ich nicht, Luzie. Da ist etwas, was dort nicht hingehört. Ich will es weghaben. Es darf da nicht sein. Ich habe es nicht bestellt, als ich meinen Körper wählte.«
    Ehe ich mich wehren konnte, packte er meine Hand und drückte meine Finger gegen die samtige Haut in seiner Schulterbeuge. Eine samtige Haut mit feinen kurzen Härchen. Ich trat gegen sein Schienbein und riss meine Hand weg.
    »Mensch, Leander, du kriegst Haare unter den Armen – na und?«
    »Na und? Das sagst du so einfach – na und? Wenn das so weitergeht, sehe ich irgendwann aus wie dein italienischer Affe. Haare überall. Schwarze krause Haare.«
    »Ich glaube nicht, dass du schwarze krause Haare kriegst. Und wenn schon. Männer haben nun mal Haare unter den Armen und auf der Brust.«
    »Johnny Depp nicht«, widersprach Leander. Jetzt ging das wieder los … Er hatte mal ein paar Wochen bei Johnny Depp in Frankreich verbracht, als Wächterassistent für dessen kleine Tochter. Johnny Depp war Leanders Held. Ein bisschen sah man ihm das auch an. Ich hatte Fotos von Johnny in jüngeren Jahren im Internet gefunden, denen Leander verteufelt ähnlich sah. »Luzie – kannst du es mir ausreißen?«
    »Ich soll – was? Nein, kann ich nicht. Es sind außerdem mehrere und ich will jetzt schlafen. Ich hab keinen Bock, dir in deiner Achselhöhle rumzufummeln.«
    »Du sollst nicht fummeln. Nur die Haare ausreißen. Aber gut, dann verwandle ich mich eben in einen Affen. Bitte schön«, murrte Leander und zog sich sein Shirt über. »Wirst schon sehen, was du davon hast. Irgendwann wird sich dort Ungeziefer einnisten und ich werde anfangen zu müffeln, Tag und Nacht. Hugahuga.« Er grunzte wie ein Schimpanse.
    Ich reagierte nicht auf sein Gefasel. Im Notfall war das das Einzige, was half. So zu tun, als wäre ich nicht da. Trotzdem verfolgte mich Leanders Entdeckung und machte es mir schwer, meine Augen zu schließen und an nichts mehr zu denken. Leander bekam Achselhaare. Eigentlich war das zum Lachen. Doch es bedeutete, dass sein Körper sich veränderte. Wie bei einem Menschen. Eine tiefe Stimme hatte er bereits, seitdem er seinen Körper erfunden hatte, und für mich sah er aus wie mindestens fünfzehn. Aber nun bekam er Bauchmuskeln und Haare unter den Armen. Nicht nur ich war in der Pubertät. Er war es auch.
    Und ich ahnte schon, dass sie bei ihm wesentlich katastrophaler ausfallen würde als bei
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