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Verzwickt chaotisch

Verzwickt chaotisch

Titel: Verzwickt chaotisch
Autoren: Bettina Belitz
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hingegen war bereits der Toast suspekt. Toast war in seinen Augen »kulinarischer Abfall«. Doch Leander liebte Toast. Und wir mussten das Gleiche essen, denn nur dann konnte ich es unauffällig unter den Tisch schmuggeln, wenn meine Eltern dabeisaßen.
    Meistens war ich schon nach dem Frühstück so erledigt, dass ich mich wieder hätte ins Bett legen können. Heute erst recht. Kein Wunder – Leander und seine blöden Entdeckungen hatten mich die halbe Nacht wachgehalten. Und beim Schrillen des Weckers war mir eingefallen, was ich ihn längst hätte fragen sollen.
    »Wie funktioniert das eigentlich bei euch?«
    »Waff?«, nuschelte Leander mit vollem Mund. Der halbe Toast fiel heraus.
    »Schluck runter, bevor du sprichst!« Ich wischte mir ein paar feuchte Brotkrümel von den Wangen. Sein Benehmen bei Tisch war unterirdisch.
    »Ich würde ja schlucken, wenn ich beim Essen nicht jeden Morgen verdursten müsste«, gab Leander grantig zurück. Er griff nach meiner Kaffeetasse und trank gierig. Das durfte er normalerweise erst nach dem Frühstück. Er musste seine Toasts trocken essen. Ich konnte ihm nicht auch noch ein Kännchen Kaffee unter dem Tisch servieren.
    »Also, was meinst du?« Er kreuzte die Arme auf dem Tischtuch und bettete seinen Kopf darauf. Ich sah nur noch Haare und sein Stirnband. Doch so fiel es mir leichter, meine Frage zu stellen.
    »Wie funktioniert das bei euch mit dem Fortpflanzen?« Wie bei uns Menschen konnte es wohl kaum aussehen. Wächter waren durchsichtig. Sie hatten keine Körper. Also konnte keiner etwas beim anderen reinstecken. Aber irgendwie mussten sie sich vermehren. Leander hatte Vater, Mutter und zwei Schwestern. Sie nannten sich zwar Truppe und nicht Familie, waren jedoch offensichtlich miteinander verwandt.
    »Bei uns läuft das natürlich wesentlich disziplinierter und würdevoller ab als das, was ich heute Nacht gesehen habe«, dozierte Leander und gähnte ein weiteres Mal. Noch immer ruhte sein Gesicht auf seinen Armen, doch nun drehte er seinen Kopf zur Seite, sodass er mich ansehen konnte. Er grinste verschmitzt. »Wir suchen nach dem passenden Klangbild. Wenn zwei Klangbilder eine Harmonie ergeben – gut. Dann kann sich das Klangbild vom einen Wächter mit dem vom anderen vermischen. Und in der Regel ergeben nur männliche und weibliche Klangbilder eine stimmige Harmonie. Manchmal müssen sie sehr lange nach dem passenden Klangbild suchen. Wenn sie sich einander nähern und es wird schrill – nicht gut. Wenn es schön klingt: weitermachen.«
    »Dann legen sich die Klangbilder übereinander – und es kommen neue dabei heraus?«
    »Jepp«, bestätigte Leander stolz. »So ist es. Natürlich wird das nur dann gemacht, wenn definitiv neue Klangbilder gebraucht werden und die Zentrale ihr Okay gibt. Nicht so wie bei den Meerschweinchen. Die kriegen ja dauernd Babys. Außerdem müssen bei Sky Patrol gewisse Faktoren berücksichtigt werden.«
    »Was für Faktoren denn?«
    »Nun.« Leander hob den Kopf und lehnte sich zurück, bis der Stuhl knackte. »Zum Beispiel muss kontrolliert werden, ob durch die Paarung eine Aufwertung innerhalb der Truppe stattfinden kann. Vater und Mutter haben sich nur übereinandergelegt und gegenseitige Treue versprochen, weil sie vorher ihre Stammbäume geprüft haben. Es war damit zu rechnen, dass gute bis sehr gute Wächtereigenschaften aufeinandertreffen und sich beim Übereinanderlegen duplizieren.«
    »Scheint in deinem Fall ja prächtig funktioniert zu haben«, kommentierte ich trocken. Leander war der erste Schutzengel, der in Streik getreten war und gleichzeitig mit dem Körperfluch belegt wurde. Wenn auch aus Versehen. Eine Karriere war das jedenfalls nicht, sondern viel eher ein Desaster.
    »Ach, Luzie, du hast ja keine Ahnung«, nölte Leander. »Ich trage allerbestes Wächtererbmaterial in mir. Und – okay, gut. Von Onkel Gunnar wusste Mutter nichts. Vater hatte es ihr verschwiegen. Er ist halt ehrgeizig.«
    Onkel Gunnar war der wunde Punkt in Leanders Familie. Er hatte zu gerne gemenschelt. Und anscheinend hatte sich das auf Leander übertragen.
    »Fühlt ihr denn auch etwas dabei, wenn ihr euch übereinanderlegt?« Übereinanderlegen klang in meinen Ohren so harmlos, dass es mir nicht besonders schwerfiel, darüber zu sprechen.
    »Wozu sollten wir denn etwas fühlen? Nee. Wir prüfen nur, ob es passt. Das ist alles. Es soll einen Nutzen haben und nicht Spaß machen. Ihr Menschen müsst ja bei allem immer Spaß haben. Hauptsache,
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