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Verzwickt chaotisch

Verzwickt chaotisch

Titel: Verzwickt chaotisch
Autoren: Bettina Belitz
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nicht?«, fragte Leander rätselnd.
    »Weil Mama die Spirale nimmt. Deshalb. Sie darf keine Kinder mehr kriegen.«
    »Spirale«, echote Leander. »Spirale?« Er malte Kringel in die Luft. »Was ist das?«
    »Das …« Ich brach ab. Ganz genau wusste ich das selbst nicht. »Das ist so ein Ding, das sie sich einsetzen lässt, und dann kriegt sie keine Kinder, wenn sie – das macht, was du eben gesehen hast.«
    »Wo genau wird das eingesetzt? Von wem?«
    »Das spielt keine Rolle«, blaffte ich ihn an. »Ich kriege kein Geschwisterchen. Kapiert?« Jetzt war mir nicht nur warm, nein, ich war plötzlich auch ungeheuer wütend. Ich hätte gerne einen Bruder oder eine Schwester bekommen. Stattdessen saß ein dämlicher Wächter bei mir im Zimmer und stellte blöde Fragen. Aber der Arzt hatte zu Mama gesagt, dass sie sehr krank werden könnte, wenn sie noch einmal schwanger werden würde. Und natürlich wollte ich das nicht. Es war schon in Ordnung, wie es war. Ich mochte nur nicht darüber reden.
    Ebenso wenig wollte ich an dieses Spiralengespräch denken, das Mama und Papa während des Mittagessens geführt hatten. Betont locker und laut, damit ich auch ja alles mithören konnte und somit eine Gratislektion in punkto Verhütung erhielt. Ich hasste es, wenn Mama und Papa das machten. Ich hatte meinen Biologieunterricht und Sofie. Mehr brauchte ich nicht. Mehr wollte ich gar nicht wissen.
    »Das ist schade«, murmelte Leander nach einer Weile. »Babys sind so niedlich. Geburten sind eine Sauerei, okay, aber Babys …« Er seufzte schwer. »Sogar du warst niedlich. Hässlich und trotzdem niedlich.«
    »Du warst bei meiner Geburt dabei?«
    »Klar.« Leander richtete sich stolz auf. »Wir sind immer dabei. Gut, ich hab nicht hingesehen und ein paar Mal bin ich raus in den Flur geswitcht, weil deine Mama so gebrüllt und geflucht hat, aber als du schließlich da warst, bin ich nicht von deiner Seite gewichen.«
    Ich wusste mittlerweile, dass Leander stinkfaul war, sich gerne vor schwierigen Dingen drückte und maßlos übertrieb, wenn er von seinen Heldentaten bei Sky Patrol erzählte. Also war er vermutlich die ganze Zeit auf dem Flur gewesen und erst dazugekommen, als die Schwester mich gewaschen und in Klamöttchen gepackt hatte.
    »Ich finde es trotzdem komisch, dass deine Mama und dein Papa so was tun, obwohl sie keine Kinder wollen«, redete Leander gedankenverloren weiter. »Wäre doch besser, wenn sie es gar nicht mehr machen würden. Dann bräuchte deine Mama auch nicht diese Spirale einzusetzen. Wann willst du anfangen, so etwas zu machen?«
    »Überhaupt nicht!«, fauchte ich und im selben Moment wurde mir klar, dass das vielleicht wirklich so sein würde. Leanders Familie hatte sich seit seinem endgültigen Entschluss, bei mir zu bleiben, nicht mehr blicken lassen. Kein einziges Lebenszeichen von den Cherubims. Es sah fast so aus, als akzeptierten sie seine Rebellion. Und nachdem er mich aus den Flammen gerettet hatte, hatte ich dummerweise gesagt, dass er mir nie wieder von der Seite weichen dürfe. Bedeutete im Klartext: Leander würde immer bei mir bleiben. Und ganz gewiss würde ich das, was Mama und Papa eben getan hatten, niemals mit einem Jungen tun können, wenn Leander nebendran auf dem Schreibtisch saß und mit den Beinen baumelte. Uns beobachtete. Sich über uns lustig machte. Im Grunde konnte ich gleich ins Kloster gehen.
    Ich schwieg bedrückt. Ich würde nicht einmal ungestört einen Jungen küssen können.
    »Bei meinem letzten Sky-Patrol-Camp haben wir gelernt, dass die Jungen und Mädchen heutzutage immer früher mit dem Fortpflanzen anfangen«, fuhr Leander mit gedämpfter Stimme fort. »So mit vierzehn, fünfzehn. Viele auch schon mit dreizehn. Damit verkürzt sich unsere Arbeitszeit. Denn das mit dem Fortpflanzen ist immer ein Zeichen, dass unsere Klienten langsam erwachsen werden. Ich frag mich nur, warum sie so früh Kinder haben wollen.«
    Okay, manchmal war er sehr schwer von Begriff. Und ich war zu erledigt, um ihm zum fünften Mal zu erklären, dass das nicht unbedingt etwas mit Kinderkriegen zu tun hatte. Ich rollte mich wieder in meine Decke ein und blieb still liegen.
    »Huuu, haaa, hooo«, tönte Leander in die Stille hinein und kicherte belustigt.
    »Halt die Klappe«, knurrte ich.
    »Aber die Reihen lichten sich schon, Luzie. Morgen sind es garantiert weniger geworden. Deine Klasse ist sehr, sehr frühreif.«
    »Was – weniger?«, vergewisserte ich mich gähnend.
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