Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verzwickt chaotisch

Verzwickt chaotisch

Titel: Verzwickt chaotisch
Autoren: Bettina Belitz
Vom Netzwerk:
habt Hausaufgaben für die Ferien bekommen?«, hakte Mama nach. »Also, was die Lehrer ihren Schülern heutzutage zumuten …«
    »Wir haben Herrn Rübsam doch versprochen, den Notendurchschnitt zu heben«, erklärte ich eilig und das war ausnahmsweise keine Lüge. Das hatten wir tatsächlich. Denn wir waren die schlechteste aller achten Klassen. Das wollte Herr Rübsam nicht länger hinnehmen. Im Gegenzug hatte er uns versprochen, dass wir eine Überraschung bekämen, wenn wir es schafften. Noch am letzten Tag vor den Osterferien hatten wir mehrere Tests geschrieben. Und morgen, am ersten Unterrichtstag nach den Ferien, sollten wir die Auswertung erhalten.
    Sofie und ich hatten uns mächtig ins Zeug gelegt, denn wir wollten unbedingt wissen, was für eine Überraschung Herr Rübsam im Sinn hatte. Früher wäre mir so etwas vollkommen egal gewesen. Aber seitdem ich kein Parkour mehr machen konnte, hatte ich eine schöne Überraschung dringend nötig.
    Mama klopfte mir meine Kopfkissen zurecht, schüttelte mein Bett aus, legte unauffällig ein paar Kleiderkombinationen auf den Tisch, aus denen ich am nächsten Morgen eine auswählen sollte (was immer vergebens war, denn ich fühlte mich in meinen Cargohosen und Kapuzenpullis nun mal wohler), und ließ uns endlich wieder allein.
    Leander kuschelte sich mit Mogwai auf dem Sofa unter dem Fenster zusammen und ich rollte mich in meinen Bettenkokon ein.
    »Was mag das wohl für eine Überraschung sein …«, sinnierte Leander. Mogwai pupste leise.
    »Jedenfalls keine für dich. Es ist eine Überraschung für Menschen, nicht für Wächter. Hier, lern deine Witze auswendig!«
    Ich warf ihm meine Schultasche auf die Brust und schloss die Augen. Dann würde ich morgen also Giuseppe wiedersehen. In den vergangenen Tagen hatte er sich nicht blicken lassen, obwohl die Lombardis schräg gegenüber wohnten. Sollte ich ihn angrinsen? Oder schneiden? Ihm Hallo sagen? Ihm gegen das Schienbein treten?
    Nein, viel besser: Ich würde die Jungs in der Pause zusammentrommeln und sie dazu überreden, die Wahrheit auf den Tisch zu packen. Entweder wir sagten unseren Eltern, was Sache war, oder wir machten heimlich Parkour. Sollte Seppo sich dagegen aussprechen, hatte ich immer noch die Möglichkeit, ihn zu erpressen. Denn Giuseppe hatte Angst vor seiner Mutter. Signora Lombardi war nur halb so groß und breit wie meine Mutter. Aber sie konnte sich binnen Sekunden in einen Feuer speienden Drachen verwandeln.
    Leander würde mir dieses Mal jedenfalls nicht dazwischenfunken. Er musste mich nicht mehr beschützen. Ich war offiziell schutzengelbefreit. Er würde nichts dagegen ausrichten können.
    Diese Gedanken stimmten mich so zufrieden, dass ich einschlummerte, sobald Leander sein französisches Schlaflied anstimmte. Und seine weiche, tiefe Stimme begleitete mich sanft in meine Träume.

Hormonalarm
    »Luzie! Aufwachen, schnell! Schnell!«
    Nein. Dieses Mal nicht. Leanders nächtliche Weckaktionen kannte ich zur Genüge und meistens steckte nichts Weltbewegendes dahinter. Die letzten drei Male hatte er Hunger gehabt, wollte mir einen neuen Witz erzählen (Warum gehen Ameisen nicht in die Kirche? Weil sie in Sekten sind. Haha.) und hatte hinter der Küchenanrichte ein vergessenes Osterei entdeckt, das er mir unbedingt zeigen wollte, weil er sich nicht sicher war, ob man es noch essen konnte.
    Doch ich musste morgen in aller Frühe aufstehen. Ich hatte keine Lust, mit ihm zu sprechen.
    »Luzie, bitte! Wach auf! Es ist wichtig! Wirklich wichtig!«
    Ich musste zugeben, dass Leander sich anders anhörte als sonst. Panischer und verwirrter. Noch hektischer. Als wäre etwas Unheilvolles passiert. Oder als würde im nächsten Moment etwas Unheilvolles passieren. War etwa seine Truppe wieder im Anmarsch?
    »Was ist?«, zischte ich, knipste die Lampe an und richtete mich blinzelnd auf.
    Leander stand mitten im Zimmer, in der einen Hand ein Badetuch und in der anderen seine Duschgeltube. Seine Augen waren weit aufgerissen. Fuchtelnd deutete er zur Tür. Die Duschgeltube fiepte schrill, weil er sie dabei mit seinen Fingern zusammenquetschte.
    »Willst du etwa, dass ich jetzt mit dir duschen gehe? Um diese Uhrzeit? Außerdem ist heute gar nicht dein Badezimmertag!«
    »Nein. Neiiin. Ich wollte eben allein duschen. Weil ja alle schlafen. Hab ich schon öfter gemacht«, fügte er mit einer abwertenden Geste hinzu, als ich protestieren wollte. »Aber dann – deine Eltern …«
    »Haben sie dich etwa
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher