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Verwüstung

Verwüstung

Titel: Verwüstung
Autoren: T. J. MacGregor
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Einsdreiundneunzig splitternackt. Er grinste. »Das sieht nach einer guten Idee aus«, sagte er, kam die Stufen herunter und verschwand im Wasser.
    Mira sah ihm nach, seine Züge waren geschmeidig und mühelos wie die eines Olympia-Schwimmers, dann sank sie zurück ins Wasser und schwamm hinter ihm her. Sie trafen sich am tiefen Ende, wo ein kleiner Vorsprung war, und saßen dort unter den Sternen.
    »Glaubst du, Nadine hat eine Gehirnerschütterung?«, fragte er.
    Er erkundigte sich nach ihrer hellseherischen Wahrnehmung, wollte nicht die medizinische Meinung ertragen. Sheppard wusste, dass sie empathisch war, brachte das aber offenbar nicht mit Krankenhäusern in Verbindung. Er konnte sich nicht vorstellen, wie es für sie war, sich an einem Ort zu öffnen, an dem der Schmerz der Standard war, an dem alles gemessen wurde.
    Als Nadine sich vor über fünf Jahren die Hüfte gebrochen hatte, hatte Mira versucht, sie in der Notaufnahme zu lesen, während sie darauf gewartet hatten, dass ein Arzt kam, und war von den Symptomen aller anderen um sie herum getroffen worden. Schmerzen, Schniefen, Husten, Fieber, Schmerz und Elend. Der Mann in der Kabine neben Nadine in jener Nacht hatte eine Lungenentzündung gehabt, und es waren seine Symptome, die Mira letztlich übernommen hatte, das Fieber, ein schreckliches Rasseln in der Brust, die grausame Schwere der Glieder. Die Symptome waren so realistisch gewesen, dass sie beinahe selbst in die Notaufnahme gemusst hatte.
    »Ich weiß es nicht. Ich habe nicht versucht, sie zu lesen.«
    Er nickte, aber sie wusste nicht, ob das heißen sollte, dass er verstand, warum sie es nicht versucht hatte, oder ob sein Nicken bloß eine höfliche Entgegnung war. Wasser tropfte aus seinem grau melierten Bart und von seinen Wimpern. »Lies mich doch mal«, sagte er, schlang seine Arme um sie und küsste ihr Ohr.
    Dann setzte er sanfte, kühle Küsse auf ihren Hals, die Kurve ihres Kinns, ihre Augenlider, ihren Mund. Er war der einzige Mann, den sie je gekannt hatte, der regelmäßig ihre Augenlider küsste, manchmal mit dem Mund, manchmal mit seinen Lidern – er nannte es den Schmetterlingskuss. Mira entspannte sich in Sheppards Armen, ihr Mund öffnete sich unter seinem, ihr Blut pulste schneller, und trotz ihrer Müdigkeit empfand sie Verlangen, trotz der Ereignisse des Tages, trotz allem.
    Und plötzlich stürzten sie sich im Wasser aufeinander, auf dem kleinen Vorsprung. Ihr Hunger nach ihm überkam sie oft in eigenartigen, unglücklichen Momenten – im Auto, in der Garage, im Garten hinter dem Haus, im Buchladen, im Supermarkt und an Orten wie diesem, einem abgeschiedenen Ort, an dem doch jeden Augenblick Annie erscheinen und sie sehen könnte.
    Seine Hand schob sich zwischen ihre Schenkel, und Mira presste ihre Hüften dem wundervollen Druck entgegen. »Annie könnte rauskommen«, murmelte sie, den Mund an seinem Hals, die Hüften kreisend, gleitend.
    »Sie schläft. Ich habe nachgesehen.«
    Er hob seine linke Hand unter ihr Kinn, berührte es, beugte ihren Kopf nach hinten, legte ihren Hals für seinen Mund frei. Gut, dass sie nicht standen. Zu knutschen war im Wasser viel einfacher, wo seine Größe und die Schwerkraft keine Rolle spielten. Mira sehnte sich plötzlich nach ihrem Bett, dem privaten Raum, aber sie konnte sich auch nicht bremsen, sie konnte die Bewegung ihrer Hüften nicht stoppen, während sein Mund ihren liebkoste.
    Die Hitze. Das außerordentliche Vergnügen. Das Gefühl des Wassers um sie herum, das ihre Körper umhüllte. Ihre Finger spannten sich auf seinem Rücken, die Nägel gruben sich in seine Haut. Sie stöhnte und bog den Rücken, bettelte nach mehr, mehr.
    Sie hörte die Geräusche, die sie von sich gab, das Stöhnen, das Murmeln, die Tierlaute, aber all das kam ihr fern vor, als hätte es nichts mit ihr zu tun. Dann zog sich ihr alles zusammen, und er war in ihr, er drückte sie gegen den Rand des Swimmingpools, er bewegte sich schnell und kraftvoll auf seinen Höhepunkt zu.
    Und als es vorüber war, klammerten sie sich aneinander, das Wasser hielt und stützte sie, sie keuchten wie Marathonläufer. Mira empfand große Dankbarkeit. Er verstand, dass Nadine Miras letzte Verbindung dazu war, wer sie geworden war, und eine Verletzung Nadines war eine Verletzung Miras. Eine Erinnerung daran, wie sehr diese Frau ihr Leben geformt hatte, ihre Fähigkeiten, den Kern ihres Seins. In den letzten zehn oder zwölf Stunden hatte sie sich emotional und psychisch
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