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Verwüstung

Verwüstung

Titel: Verwüstung
Autoren: T. J. MacGregor
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Prolog
    21. Juni, 01:38 Uhr
    Billy Joe Franklin liebte die Dunkelheit. Schon immer. Er konnte sie um sich schlingen wie einen Zaubermantel, der ihm magische Kräfte verlieh, oder er konnte sich hineinfallen lassen und verschwinden, so wie jetzt.
    Er stand allein auf dem Oberdeck der Fähre nach Tango Key, ein groß gewachsener, muskulöser Mann in Jeans, einem schwarzen T-Shirt, und er hatte ein schwarzes Käppi tief in die Stirn gezogen. Schwarz war seine Lieblingsfarbe. Im Moment war sogar sein Haar schwarz, außerdem war es lang, er trug einen Pferdeschwanz. Man konnte in die Schwärze projizieren, was man wollte, dachte er, und oft wünschte er sich, als Schwarzer geboren worden zu sein.
    Er starrte über das unruhige dunkle Wasser auf die Lichter der Insel in der Ferne, ein Festival der Lichter, ein Wunderland, ein schlafendes Paradies. Er nahm alles in sich auf, das Versprechen und die wunderbare Schönheit. In Kürze würde er auf diese Insel herniederfahren und sie wie ein wütender, rachsüchtiger Gott ins Chaos stürzen.
    Hinter ihm weinte ein Baby. Links von ihm schmiegte sich ein Pärchen aneinander, die Arme umeinander gelegt. Direkt hinter ihm befand sich die Treppe zum Unterdeck der Fähre, wo die Kinderwagen standen, die Fahrräder, die Autos. Der aufgerüstete schwarze Hummer wartete dort unten auf ihn, ein Wagen für über hundert Riesen, der mehr als drei Tonnen wog, und für die Aufgabe, die vor ihm lag, mehr als geeignet war. Ein paar Straßen vom Endziel des Hummers entfernt, in einem Parkhaus, wo auch Anwohner ihre Wagen über Nacht abstellten, befand sich ein unscheinbarer, schwarzer Lieferwagen mit Blenden, wo die hinteren Fenster sein sollten. Damit würden er und Crystal zu seiner Hütte im Naturschutzgebiet auf Tango fahren.
    In der Hütte gab es genug Essen und Ausrüstung, um einen Monat durchzuhalten, wenn sie vorsichtig vorgingen. Er hatte sorgfältig geplant. Er war sich seiner Sache sicher. Er war wie Wasser, das Element, das die Form des Gefäßes annahm, in das man es goss. Aber ohne Crystal war er bloß ein Gefäß halb voll mit dreckigem, unreinem Wasser. Er brauchte sie. Und für sie, für sie beide, würde sein Gefäß heute Nacht erfolgreicher Geschäftsmann heißen, so würde er aussehen, wenn er sich ans Steuer des Hummers setzte.
    Sterne blitzten zwischen den schnell dahinziehenden Wolken auf. Vorhin hatte er sich Sorgen um den Hurrikan Danielle gemacht, sechshundertfünfzig Kilometer draußen über dem Atlantik. Eine Front, die aus dem Norden herunterzog, hatte den Hurrikan nach Süden gedrängt, sie hielt ihn auf den Koordinaten, die ihn ans südliche Ende Kubas führen würden. Danielle würde an den Keys und an der Südspitze der Halbinsel Florida komplett vorüberziehen. Doch die Front könnte sich abschwächen, was hieße, dass Danielle möglicherweise nach Norden driftete.
    Und deswegen würde das National Hurricane Center wahrscheinlich kurz nach Sonnenaufgang eine Hurrikan-Vorwarnung für Monroe, Dade, Broward und Palm Beach County ausgeben – also für alles von den Keys bis fünfhundert Kilometer nördlich. Wenn es so weit kam und wenn die Front sich weiter abschwächte, würde das Center die Vorwarnung irgendwann morgen zu einer Warnung hochstufen. Aber das war ihm so oder so egal. Crystal und er wären in der Hütte sicher, selbst wenn ein Hurrikan käme. Auch sie war Wasser, und gemeinsam würden sie zum Amazonas werden, zum Nil oder sogar zum Pazifik. Es würde ihnen gut gehen im zwölf Meter tiefen Keller der Hütte. Er war gut ausgerüstet und hatte ausreichend Geld dort versteckt, um jede unvorhersehbare Eventualität abzudecken.
    Und selbst wenn eine Warnung ausgegeben würde, hieß das nicht, dass Danielle Tango Key erreichen würde. Das Center war normalerweise eher vorsichtig.
    Er wusste alles über die Vorsichtsmaßnahmen des Centers.
    Bis vor fünf Jahren war er einer der Meteorologen dort gewesen, ein Beta-Mann hinter den Kulissen mit einem telegenen Gesicht und einer Stimme, die samtig war wie alter Scotch. Damals hatte er blondes Haar gehabt und ein Pepsodent-weißes Lächeln, er hätte eigentlich vor der Kamera stehen sollen. Doch als er die Beförderung, die ihm zustand, nicht erhielt, flippte er aus und machte eine Szene. Er wurde gefeuert. Im Center misstraute man psychischer Instabilität bei Angestellten genauso sehr wie der Instabilität von Stürmen. Ende der Geschichte.
    Zwölf Jahre Arbeit, Gott allein wusste, wie viele Hurrikans, und
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