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Verdammnis

Verdammnis

Titel: Verdammnis
Autoren: Stieg Larsson
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    Potenz und 1 . Damit hatte er den Satz des Pythagoras verfeinert, und Lisbeth begriff, dass die Zahl der Kombinationen unendlich groß war.

    So konnte man ewig weitermachen, ohne eine Zahl zu finden, die diese Regel brach. Diese Art von Logik kam Lisbeth Salanders Gefühl für das Absolute entgegen. Mit dem größten Vergnügen arbeitete sie sich durch Archimedes, Newton, Martin Gardner und ein Dutzend andere klassische Mathematiker hindurch.
    Danach kam sie zum Kapitel über Pierre de Fermat, dessen mathematisches Rätsel, »Fermats Satz«, sie sieben Wochen lang verblüfft hatte. Immerhin ein relativ bescheidener Zeitraum, verglichen mit den fast vierhundert Jahren, in denen Fermat die Mathematiker zum Wahnsinn getrieben hatte, bis es 1993 endlich einem Engländer namens Andrew Wiles gelungen war, sein Rätsel zu lösen.
    Fermats Theorem war eigentlich eine verlockend leichte Aufgabe.
    Pierre de Fermat wurde 1601 in Beaumont-de-Lomagne im Südwesten Frankreichs geboren. Er war nicht einmal Mathematiker, sondern stand in Staatsdiensten und widmete sich nur in seiner Freizeit der Mathematik, als wäre sie eine Art bizarres Hobby. Dennoch galt er unter den Mathematikern als einer der begabtesten Autodidakten aller Zeiten. Wie Lisbeth Salander war auch er von kniffligen Fragen und Rätseln begeistert. Besonderen Spaß machte es ihm, andere Mathematiker zu ärgern, indem er sich eine Problemstellung ausdachte, sich dann aber nicht weiter um deren Lösung kümmerte. Der Philosoph René Descartes belegte Fermat mit einer ganzen Reihe verächtlicher Beinamen, während sein englischer Kollege John Wallis ihn nur noch als »diesen verdammten Franzosen« bezeichnete.
    Ungefähr 1630 erschien eine französische Übersetzung von Diophantos’ Werk Arithmetica , das eine komplette Aufstellung der Zahlentheorien von Pythagoras, Euklid und anderen Mathematikern der Antike enthielt. Während Fermat nun den Satz des Pythagoras studierte, kam ihm in einem genialen Moment die Idee zu seinem unsterblichen mathematischen Problem. Er formulierte einfach eine Variante zu Pythagoras, indem er die Quadrate in Würfel verwandelte. Aus a 2 + b 2 = c 2 wurde a 3 + b 3 = c 3 .
    Das Problem war nur, dass es für die neue Gleichung keine ganzzahlige Lösung gab. Durch eine kleine gelehrte Veränderung hatte Fermat eine Formel, für die es eine unendliche Anzahl perfekter Lösungen gab, in eine Sackgasse verwandelt, für die es keine einzige Lösung gab. Sein Theorem bestand in genau dieser Feststellung: Fermat behauptete, dass es im unendlichen Universum der Zahlen nirgendwo eine ganze Zahl gab, deren dritte Potenz durch die Summe zweier anderer dritter Potenzen ausgedrückt werden konnte, und dies gelte darüber hinaus für alle Zahlen, die eine höhere Potenz als 2 haben.
    Die anderen Mathematiker waren sich schnell einig, dass diese Behauptung ganz richtig war. Mit der »trial and error«-Methode fanden sie heraus, dass sich keine Zahl finden ließ, die Fermats Satz widerlegt hätte. Aber selbst wenn sie bis in alle Ewigkeit weitergerechnet hätten, so hätten sie niemals alle existierenden Zahlen durchprobieren können - ihre Menge ist unendlich groß -, und so konnten die Mathematiker nie hundertprozentig sicher sein, dass nicht doch die nächste Zahl Fermats Satz über den Haufen werfen würde. In der Mathematik müssen Behauptungen mathematisch bewiesen werden und sich durch eine allgemeingültige und wissenschaftlich korrekte Formel ausdrücken lassen. Ein Mathematiker muss sich auf ein Podium stellen und verkünden können: »Es verhält sich so, weil …«
    Wie üblich führte Fermat seine Kollegen an der Nase herum. An den Rand seines Exemplars der Arithmetica kritzelte das Genie seine Problemstellung und schloss mit folgenden Zeilen: Cuius rei demonstrationem mirabilem sane detexi hanc marginis exiguitas non caperet . Diese Zeilen erlangten in der Geschichte der Mathematik Unsterblichkeit: Ich habe einen wahrhaft wunderbaren Beweis für diese Behauptung, aber der Rand ist allzu schmal, um ihn zu fassen.
    Sollte er vorgehabt haben, seine Kollegen in den Wahnsinn zu treiben, war ihm dies außerordentlich gut gelungen. Seit 1637 hat im Großen und Ganzen jeder Mathematiker mit einiger Selbstachtung eine gewisse Zeit, zuweilen sogar beträchtlich viel Zeit darauf verwendet, Fermats Beweis zu finden. Generationen von Denkern scheiterten, bis Andrew Wiles 1993 endlich mit dem erlösenden Beweis kam. Bis dahin hatte er
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