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Verdammnis

Verdammnis

Titel: Verdammnis
Autoren: Stieg Larsson
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feuchte Hand auf die Stirn und strich ihr mit den Fingern über den Haaransatz. Wahrscheinlich sollte diese Geste freundlich wirken. Das war sein Geburtstagsgeschenk für sie.
    Sie hasste seine Berührung.
    Er sprach mit ihr. Sie sah, wie sich sein Mund bewegte, blendete den Ton seiner Stimme jedoch aus. Sie wollte nicht zuhören. Sie wollte nicht antworten. Sie hörte, wie er die Stimme hob. Eine Spur von Gereiztheit über ihre mangelnde Reaktion hatte sich in seine Stimme geschlichen. Er sprach von gegenseitigem Vertrauen. Nach ein paar Minuten verstummte er endlich. Sie ignorierte seinen Blick. Schließlich zuckte er die Achseln und überprüfte ihre Fesseln. Nachdem er den Lederriemen über ihrer Brust ein wenig enger geschnallt hatte, beugte er sich über sie.
    In der nächsten Sekunde warf sie sich, so schnell sie konnte, nach links, so weit wie möglich von ihm weg, so weit, wie es die Riemen zuließen. Sie zog die Knie unters Kinn und stieß ihm dann mit aller Kraft ihre Füße gegen den Kopf. Eigentlich hatte sie auf seinen Adamsapfel gezielt, aber sie traf ihn nur mit der Zehenspitze irgendwo unterm Kinn. Er hatte schnell reagiert und war ausgewichen, sodass sie ihn nur ganz leicht streifte. Als sie einen zweiten Tritt versuchte, war er bereits außer Reichweite.
    Sie ließ die Beine wieder auf die Liege sinken.
    Ihre Decke hing auf den Boden, ihr Nachthemd war ihr bis weit über die Hüften hochgerutscht.
    Eine ganze Weile blieb er wortlos stehen. Dann ging er zum Fußende und nahm die Fesseln, die dort an der Pritsche hingen. Sie versuchte, die Beine anzuziehen, doch er packte sie beim Knöchel, drückte mit der anderen Hand ihr Knie auf die Matratze und fesselte ihren Fuß mit dem Lederriemen. Dasselbe wiederholte er auf der anderen Seite mit ihrem zweiten Fuß.
    Nun war sie völlig hilflos.
    Er hob die Decke auf und deckte sie zu. Schweigend betrachtete er sie zwei Minuten. Auch im Dunkeln konnte sie seine Erregung spüren, obwohl er sie nicht zeigte. Ganz bestimmt hatte er eine Erektion. Sie wusste, dass er eine Hand ausstrecken und sie berühren wollte.
    Doch dann drehte er sich um, ging hinaus und schloss die Tür hinter sich. Sie hörte, wie er den Riegel vorlegte, was gänzlich sinnlos war, da sie ja sowieso keine Möglichkeit hatte, sich von ihrer Liege loszumachen.
    Mehrere Minuten blieb sie liegen und fixierte den schmalen Lichtstreifen über der Tür. Schließlich bewegte sie sich ein wenig, um festzustellen, wie fest die Riemen saßen. Sie konnte die Knie noch leicht anziehen, doch dann setzten die Fesseln jeder Bewegung ein Ende. Sie entspannte sich, blieb ganz still liegen, starrte ins Nichts und wartete.
    Fantasierte von einem Benzinkanister und einem Streichholz.
    Sie sah ihn vor ihrem inneren Auge, völlig benzingetränkt. Sie konnte die Streichholzschachtel in ihrer Hand geradezu physisch wahrnehmen. Sie schüttelte sie. Es rasselte. Sie öffnete die Schachtel und nahm ein Streichholz heraus. Sie hörte ihn etwas sagen, ohne auf seine Worte zu achten. Sie sah seinen Gesichtsausdruck, als sie das Streichholz entzündete. Sie hörte, wie der Schwefelkopf mit einem ratschenden Geräusch über die raue Fläche rieb. Es klang wie ein lang gezogener Donnerschlag. Sie sah die Flamme auflodern.
    Sie lächelte und machte sich innerlich hart.
    In dieser Nacht wurde sie 13 Jahre alt.

Teil I
    Unregelmäßige Gleichungen
    16.-20. Dezember
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    Eine Gleichung wird nach der höchsten Potenz
(dem Wert des Exponenten) der in ihr vorkommenden
Unbekannten benannt. Ist dieser Exponent 1,
handelt es sich um eine Gleichung ersten Grades,
ist der Exponent 2, ist es eine Gleichung zweiten Grades etc.
Bei Gleichungen zweiten oder höheren Grades ergeben sich für
die Unbekannten mehrere Lösungen.
Die Werte nennt man Wurzeln.
     
     
    Gleichung ersten Grades
    (lineare Gleichung): 3x - 9 = 0
    Lösung: x = 3

1. Kapitel
    Donnerstag, 16. Dezember - Freitag, 17. Dezember
     
     
     
     
    Lisbeth Salander schob sich die Sonnenbrille auf die Nasenspitze und blinzelte unter der Krempe ihres Sonnenhutes hervor. Sie sah die Dame aus Zimmer 32 aus dem Seiteneingang des Hotels treten und auf eine der grün-weiß gestreiften Liegen am Pool zusteuern. Konzentriert heftete sie ihre Blicke auf den Boden, und es wirkte, als wäre sie etwas wackelig auf den Beinen.
    Salander hatte sie zuvor nur aus der Entfernung gesehen. Sie schätzte sie auf ungefähr 35, aber bei ihrem Aussehen hätte
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