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Verdammnis

Verdammnis

Titel: Verdammnis
Autoren: Stieg Larsson
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verrückten Diktator stürzte, der obendrein UFO-Fantast war und einen guten Teil des Staatshaushalts für die Jagd nach fliegenden Untertassen ausgab. Bishop hatte für eine ökonomische Demokratie plädiert und das erste Gesetz zur Gleichstellung von Mann und Frau eingeführt, bevor er 1983 ermordet wurde.
    Nach dem Mord, einem Massaker an 120 Personen, darunter der Außenminister, der Frauenminister und einige wichtige Gewerkschaftsführer, waren die USA einmarschiert und hatten die Demokratie eingeführt. Was Grenada anging, bedeutete das, dass die Arbeitslosenrate von 6 auf fast 50 Prozent anstieg und der Kokainhandel wieder zur weitaus wichtigsten Einkommensquelle wurde. Philip Campbell hatte den Kopf geschüttelt, als er die Beschreibung in Lisbeths Reiseführer las, und gab ihr dann ein paar gute Ratschläge, von welchen Personen und Vierteln sie sich nach Einbruch der Dunkelheit besser fernhalten sollte.
    In Lisbeth Salanders Fall hätte er sich seinen Rat genauso gut schenken können. Sie bekam nämlich gar keine Gelegenheit, mit Grenadas krimineller Seite Bekanntschaft zu machen, da sie sich in Grand Anse Beach verliebt hatte, einen kilometerlangen und spärlich besuchten Sandstrand südlich von Saint George’s, den sie stundenlang entlangwandern konnte, ohne mit einem anderen Menschen zu reden oder auch nur einen zu treffen. Sie zog ins Keys, eines der wenigen amerikanischen Hotels am Grand Anse, und verbrachte dort sieben Wochen, ohne viel mehr zu tun, als am Strand herumzustapfen und die einheimische Frucht Chinups zu essen, die im Geschmack an Lisbeths heiß geliebte, herbe schwedische Stachelbeeren erinnerten.
    Es war Nebensaison, sodass nicht einmal ein Drittel der Zimmer im Keys Hotel belegt war. Das Einzige, was Lisbeths Frieden und ihre zerstreuten Mathematikstudien störte, war der hartnäckige Terror im Nachbarzimmer.
     
    Mikael Blomkvist drückte mit dem Zeigefinger auf den Klingelknopf von Lisbeth Salanders Wohnung in der Lundagatan. Er erwartete nicht, dass sie öffnen würde, aber er hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, ein paarmal im Monat bei ihrer Wohnung vorbeizufahren, um nachzusehen, ob sich irgendetwas verändert hatte. Wenn er durch ihren Briefschlitz spähte, konnte er einen Stapel Werbesendungen sehen. Es war kurz nach zehn Uhr abends und schon zu dunkel, um zu erkennen, ob der Stapel seit seinem letzten Besuch angewachsen war.
    Ein Weilchen blieb er noch unschlüssig im Treppenhaus stehen, dann machte er frustriert auf dem Absatz kehrt und verließ das Haus. In gemütlichem Tempo spazierte er weiter zu seiner Wohnung in der Bellmansgatan, setzte Kaffee auf und blätterte die Abendzeitungen durch, bevor er die Spätausgabe der Nachrichten ansah. Seine Stimmung war düster, er war ein wenig besorgt. Er fragte sich zum tausendsten Mal, wo sich Lisbeth Salander aufhalten mochte und was hier eigentlich passiert war.
    Letztes Jahr während der Weihnachtsferien hatte er Lisbeth Salander in seine Hütte in Sandhamn eingeladen. Sie unternahmen lange Spaziergänge und diskutierten die Nachwirkungen der dramatischen Ereignisse, in die sie im Laufe des Jahres verwickelt worden waren. Mikael hatte eine Phase durchgemacht, die er im Nachhinein als eine Lebenskrise betrachtete. Nach seiner Verurteilung zu einer dreimonatigen Gefängnisstrafe wegen Verleumdung hatte der ehemals so erfolgreiche Journalist beruflich bis zum Hals im Sumpf gesteckt. Seinen Posten als verantwortlicher Herausgeber bei Millennium hatte er mit eingezogenem Schwanz geräumt. Doch plötzlich änderte sich alles. Er erhielt den Auftrag, die Biografie des Großindustriellen Henrik Vanger zu schreiben, was ihm zunächst wie eine gut bezahlte Schnapsidee vorkam, sich dann aber in die desperate Jagd nach einem unbekannten, gerissenen Serienmörder verwandelte.
    Während dieser Jagd hatte er Lisbeth Salander kennengelernt. Mikael tastete zerstreut nach der dünnen Narbe, die die Würgeschlinge unter seinem linken Ohr hinterlassen hatte. Lisbeth hatte ihm nicht nur bei der Jagd nach dem Mörder geholfen, sondern ihm auch im letzten Moment das Leben gerettet.
    Immer wieder hatte sie ihn mit ihren seltsamen Fähigkeiten in größtes Erstaunen versetzt - ein fotografisches Gedächtnis und dazu phänomenale Computerkenntnisse. Mikael Blomkvist hätte jederzeit behauptet, sich ganz gut mit Computern auszukennen, aber Lisbeth Salander bediente Computer, als stünde sie mit dem Teufel im Bunde. Allmählich war ihm aufgegangen, dass
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