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Madonna, ein Blonder!

Madonna, ein Blonder!

Titel: Madonna, ein Blonder!
Autoren: M Zöller
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Forza, biondo! Lauf! Lauf! Lauf!
    » Wie bin ich da nur hineingeraten?«
    Das ist der einzige klare Gedanke, den ich im Moment noch fassen kann. Im Rhythmus meiner Schritte hüpft der Satz in meinem Gehirn auf und ab.
    » Wie– bin– ich– da– nur– hi– nein– ge– ra– ten?«
    Es ist ein Samstagmorgen, irgendwo in den Bergen zwei Stunden von Rom entfernt und ich frage mich, was ich eigentlich hier tue: Ich bin völlig verschwitzt, blute an den Händen, trage eine teuflisch schwere Madonnenstatue und renne mit ihr wie von einem Hund gebissen über den zentralen Platz eines Dorfes mit dem seltsamen Namen Angolorotondo. Runde Ecke. Mein Kopf ist durch eine Art Teppich gesteckt, der furchtbar kratzt und mir beim Rennen zuweilen ins Gesicht schlägt. Ich hasse diesen Teppich, schon seitdem ich losgerannt bin, heute Morgen um 6 Uhr! Aber den Teppich hat Elisas Großmutter gewebt. Und für Elisa mache ich ja das alles hier.
    Dino, mein Barista und Freund aus der Bar » Il Papagallo« in Rom, hat mir dringend dazu geraten mitzumachen: » Martin, das ist die einzige Möglichkeit. Du musst es tun. Elisa wird da sein, alle werden da sein. Deine Chance! La tua occasione!«
    Ich habe versucht, abzuwehren: » Ach komm, Dino…, das ist total verrückt…«
    Aber Dino hat mich über den Tresen seiner Bar hinweg angeschaut und » Eeeh« gemacht. Und das heißt bei Dino: » Du könntest recht haben– aber ich bleibe dabei.«
    Also habe ich mitgemacht. Für Elisa! Ich will sie zurückerobern, nach allem was war. Unbedingt! Schließlich habe ich mich in Elisa schon am Tag meiner Ankunft in Rom verliebt. Und als größtmöglichen Liebesbeweis mache ich jetzt in ihrem Heimatdorf bei dieser sagenhaften Veranstaltung namens » Madonnenlauf« mit. Gleich wird der Lauf zu Ende sein, gleich, wenn ich oben auf dem Podium stehe. Und dann wird Elisa nach vorne stürmen und mich anhimmeln– bevor ich auf den Schultern durchs Dorf getragen werde. Das würde mich mit dieser ganzen Veranstaltung vielleicht versöhnen.
    »Wie – bin – ich – da– nur – hi– nein– ge– ra– ten?«
    Nur noch wenige Meter, dann bin ich am Ziel. Ich renne durch die Menge, bei jedem Schritt schmerzen meine Hände von den Eisengriffen der Madonnenstatue noch mehr. Die Leute sind begeistert. Sie rufen mir » Forza!« zu oder » Veloce, biondo!«, – schnell Blonder! Manche klopfen mir anfeuernd auf die Schulter, andere staunen einfach nur. Ich kann es ihnen nicht verübeln. Es muss irrwitzig aussehen: Ein komischer blonder Deutscher rennt blutend und verschwitzt über den Platz und hat womöglich Chancen, erstmals wieder für ihr Dorf, für ihr Angolorotondo, den Madonnenlauf zu gewinnen! Andererseits: Die Leute würden auch staunen, wenn ich schick angezogen wäre. Denn als Blonder in Italien wird man immer angestarrt, da kann man machen, was man will. Die Römer schauen einen an, als wäre man eine Attraktion, ein Feuerschlucker oder ein Einradfahrer. Ganz normaler Alltag in Italien.
    Im Laufen schaue ich auf meine Hände. Sie bluten und sind angeschwollen. Nur gut, dass ich Korrespondent bin und täglich Geschichten aus Italien in den Computer tippen soll. Das kann ich dann erst mal vergessen. Was soll ich der Redaktion denn am Montag sagen? » Entschuldigung, ich kann jetzt eine Woche nicht arbeiten, weil ich mit einer Madonnenstatue drei Stunden lang durch die Berge Italiens rennen musste«? In der Redaktion wird man sich denken: Nicht so toll, dass wir den nach Rom geschickt haben.
    War es vielleicht wirklich ein Fehler? Ich denke an meine Heimatstadt München. Während ich hier meine Gesundheit ruiniere, füllen sich dort gerade die Frühstückscafés. Vielleicht wäre es einfach besser gewesen, in München zu bleiben und dort ein harmloses Leben zu führen.
    Das Spalier der Menschen wird immer enger, es geht auf das Podium zu. Noch 100 Schritte, noch 90, noch 80. Gleich wird der ganze Wahnsinn vorbei sein. Der Beifall schwillt an. Jetzt stehe ich vor dem Podium. Noch sechs Stufen trennen mich von dem Ende der größten Tortur meines Lebens. Bevor ich die erste Stufe nehme, halte ich kurz inne.
    Wie bin ich da nur hineingeraten? Und das nach gerade mal fünf Monaten in Rom?

Attenzione! Amadeos düstere Warnung
    » Mensch toll!«
    » Ist ja super!«
    » Freut mich total für dich!«
    Es ist der Abend, an dem alles beginnt, und ich bekomme eine Nettigkeit nach der anderen zu hören. Eigentlich schön, doch in den Gesichtern der anderen liegt
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