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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 9 Der Pfad des Schmerzes

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 9 Der Pfad des Schmerzes

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 9 Der Pfad des Schmerzes
Autoren: Martin Clauß
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    „Chef, ich glaube, wir haben ihn.“
    „Was redest du, Sancho? Wen haben wir?“
    Dirk Fachinger war eben mal kurz zum Kopiergerät gegangen. Dabei hatte er gleich noch einen Abstecher in die Cafeteria unternommen und sich einen dieser leckeren schaumigen Milchkaffees gesichert, die das Mädchen dort unbeirrt in täglich gleichbleibender Qualität zubereitete. Er war insgesamt vielleicht zehn Minuten weg gewesen. Vorsichtig pustend balancierte er das heiße Getränk in sein Dienstzimmer und sah erst auf, als er die Tasse auf seinem Schreibtisch abgesetzt hatte.
    Kriminalkommissar Santiago Faro, den jeder Sancho nannte, huschte durchs Zimmer. Der kleine, hagere Mann mit der winzigen Drahtbrille hatte die Angewohnheit, immer gleich aufzuspringen und eilig im Raum herumzugehen, wenn er etwas zu sagen hatte. Jede Neuigkeit, jeder Gedanke machte ihn unruhig, ließ seine dunklen Augen blitzen und seine Nase nervös zucken.
    „Den Mörder der kleinen Anna, den haben wir! Du warst kaum aus dem Zimmer, als der Anruf kam. Und gerade eben habe ich aufgelegt.“ Faro zeigte auf das Telefon, als könne man daran noch Spuren erkennen. Seine Augenbrauen hüpften auf und ab.
    „Langsam, langsam! Haben wir ein Geständnis?“ Der Hauptkommissar setzte sich auf die Kante seines Schreibtisches, was bei seiner Leibesfülle bedrohlich aussah. „So plötzlich?“ Bis vor zehn Minuten hatten sie noch nicht einmal eine Spur gehabt.
    „Kein Geständnis“, entgegnete sein Untergebener. „Aber eine Vermisstenmeldung.“
    „Das musst du mir erklären, alter Seeräuber.“ Sancho verzog das Gesicht. Wenn ein langhaariger, backenbärtiger, dicknasiger, tabakschnupfender Brocken wie Fachinger seinen zwanzig Jahre jüngeren, stets adrett gekleideten, sauber frisierten und achtzig Pfund leichteren Kollegen einen alten Seeräuber nannte, war die Bemerkung mehr als deplatziert.
    „Erinnerst du dich an Ulrich Schenks, den Onkel des Opfers?“
    „Den armen Kerl, der die ganze Zeit über heulte wie ein Schlosshund?“ Fachinger wandte den Blick ab und sah ins Leere. Sein Gesicht bekam einen schmerzvollen Ausdruck. „Ja, ja, ich erinnere mich. Ich würde mir wünschen, ich könnte ihn vergessen.“
    Ulrich Schenks, der Bruder von Annas Mutter, war unter den ersten Personen gewesen, die sie befragt hatten. Einen nach dem anderen aus der Verwandtschaft des Mädchens hatten sie aufgesucht.
    Natürlich war es am schlimmsten gewesen, mit den Eltern des ermordeten Kindes zu sprechen. Sie hatten immer nur auf die Tür gestarrt, während die beiden Beamten bei ihnen im Wohnzimmer auf der Couch saßen. Als erwarteten sie, die Zwölfjährige müsse jeden Augenblick ins Zimmer stürmen und die fremden Männer Lügen strafen.
    Aber auch dieser Schenks hatte Fachinger und Faro schwer zugesetzt. Die ganze Zeit über war er nur am Weinen gewesen, und es hatte ausgesehen, als würde ihn die Trauer um seine kleine Nichte in den Wahnsinn treiben. Es war kaum ein zusammenhängender Satz aus ihm herauszubekommen gewesen. Am Ende hatten die beiden Besucher vergessen, was sie eigentlich fragen wollten.
    „Die Frau von Schenks hat heute die Polizei angerufen und ihren Mann als vermisst gemeldet.“
    Fachinger drehte sich um und wühlte in der Ablage. „Jasmin Schenks, nicht wahr? War sie nicht auf Kur ... an der Nordsee oder irgendwo?“
    „Als wir ihren Mann befragten, war sie noch weg, richtig“, bestätigte Sancho. „Natürlich trat sie sofort die Heimreise an, als sie über den Tod ihrer Nichte informiert wurde. Wir hatten sie hierher geladen. Der Kollege Thomas hat mit ihr gesprochen.“
    „Ich erinnere mich. Hier.“ Der Hauptkommissar hatte inzwischen das Protokoll gefunden, das der Kollege damals abgefasst hatte. Er ließ seinen Blick über den Computerausdruck gleiten und fand nichts von Bedeutung in den knappen Sätzen.
    „Offenbar ist Ulrich Schenks seit drei Tagen verschwunden“, verkündete Faro jetzt.
    „Seit drei Tagen? Das ist ja eine Ewigkeit! Und da meldet seine Frau sich erst heute bei der Polizei? Sag bloß, Schenks war öfters mal ein paar Tage weg, ohne seiner Frau Bescheid zu geben ...“
    „Sieht nicht so aus. Sie behauptete, es sei das erste Mal. Aber der Frau war wohl bewusst, dass man sein Verschwinden mit dem Mordfall in Verbindung bringen und Schlüsse daraus ziehen würde. Sie sagt, sie wollte ihn nicht in den Verdacht bringen, Anna getötet zu haben.“
    „Aber irgendwann hielt sie es nicht mehr aus“, vermutete
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