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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 9 Der Pfad des Schmerzes

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 9 Der Pfad des Schmerzes

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 9 Der Pfad des Schmerzes
Autoren: Martin Clauß
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Bitten der Lebenden erhörten, so bedeutete dies nicht, dass sie sich bereitwillig zu deren Sklaven machen ließen.
    Seit Tagen dachte Sir Darren fieberhaft nach, wie er seine Übertretung wiedergutmachen konnte. Bisher hatten seine Überlegungen zu keinem Ziel geführt. Je länger dieser Zustand währte, desto mehr hatte er das Gefühl, in einer bösen Falle zu stecken.
    „Jetzt, Herr Edgar, sehe ich die Welt mit anderen Augen. Ich habe angefangen, Bücher über solche Phänomene zu lesen. Man hat mir die Augen geöffnet. Ich lese sogar jeden Tag in der Zeitung mein Horoskop.“
    „Unterstehen Sie sich, die Spiritisten mit diesem Astrologenschmutz in einen Topf zu werfen“, gab Sir Darren eisig zu bedenken. „Die Sterne sind weit weg. Das Jenseits dagegen ist mitten unter uns. Uns fehlen lediglich die entsprechenden Sinne, um es wahrzunehmen.“
    Fachinger sah seinen Gast jetzt an, ging aber nicht auf dessen Bemerkung ein. „Ich denke darüber nach, ob wir hier bei der Polizei wirklich alle unsere Möglichkeiten ausschöpfen. Ob wir nicht mehr tun könnten.“ Er kam auf den Briten zu und stellte sich direkt neben ihn. „Mit dem Übernatürlichen als Werkzeug könnte man eine Menge erreichen: Für Diebstähle könnte man Hellseher beschäftigen, und wenn es um Mord geht ... wäre es da nicht naheliegend, wenn ein Medium mit dem Opfer Kontakt aufnehmen würde?“
    Sir Darren verdrehte die Augen. Es gab nur noch eine Sorte Mensch, die schlimmer war als unverbesserliche Skeptiker – übereifrige Fanatiker. „Einen Toten zu rufen ist etwas grundlegend anderes als am Schreibtisch Ermittlungen anzustellen, Herr Fachinger.“
    Schon wieder überhörte der Beamte den Kommentar seines Gegenübers. Er hatte die Hand an die Schläfe gelegt, wie, um den Gedankengang festzuhalten. „Ein Mordopfer wird in fünfundneunzig Prozent aller Fälle das Gesicht seines Mörders gesehen haben. Wenn wir die Opfer befragen könnten, würde die Aufklärungsrate sprungartig in die Höhe schnellen.“
    Sir Darren holte tief, tief Luft, dann stieß er den gesammelten Atem in einem rauen Keuchen aus. „Das Problem werden nicht die fünf Prozent sein, die das Gesicht ihres Mörders nicht gesehen haben. Das Problem sind die fünfundneunzig, die es gesehen haben.“
    „Ach?“ Fachinger stockte. „Inwiefern?“
    „Ich weiß nicht, ob Sie sich vorstellen können, wie es ist, seinem Mörder in die Augen geblickt zu haben, mein lieber Hauptkommissar.“
    Der Beamte öffnete den Mund, schien etwas sagen zu wollen, ließ es sein, hob dann die Schultern und meinte schließlich: „Was wollen Sie damit andeuten? Ich weiß, wie sich Opfer von Gewaltverbrechen fühlen. Ich habe in meinem Beruf ständig mit solchen Menschen zu tun. Man braucht großes Fingerspitzengefühl, wenn man mit ihnen kommunizieren will. Aber die Leute, von denen wir hier sprechen, sind tot.“
    „In der Tat. Und deshalb lassen Sie sich nicht mit denen vergleichen, denen Sie hier in ihrem Büro gegenübergesessen haben.“ Sir Darren erhob sich, und als er seine hageren Glieder ganz entfaltet hatte, überragte er den Kripomann um einen ganzen Kopf. „Herr Fachinger, stellen Sie sich vor, ich würde Sie jetzt erschießen.“
    Im Hintergrund gab es ein krachendes Geräusch. Santiago Faro war aufgesprungen und hatte den Drehstuhl mit einem kraftvollen Tritt gegen die Wand gestoßen. Er stand mit gezogener Dienstwaffe hinter dem Briten. Seine Nasenlöcher zuckten wie bei einem erregten Stier, und er biss sich auf die Unterlippe, als er sagte: „Keine Bewegung! Hände in die Höhe, und dann langsam umdrehen!“
    „Schon gut, Sancho, schon gut!“ Fachinger kam hinter seinem Besucher hervor, ging auf den Kommissar zu und drückte dessen Waffe nach unten. „Herr Edgar möchte mir nur etwas erklären. Kein Grund zur Sorge. Gut gemacht, Sancho.“
    Santiago knurrte, steckte die Waffe ein und kehrte auf seinen Platz zurück. Auf seinem Gesicht war deutlich zu lesen, dass es ihm nicht gefiel, wenn sein Vorgesetzter ihn wie ein Kind behandelte. Gut, vielleicht hatte er übervorsichtig gehandelt, aber eines Tages würde der Hauptkommissar ihm noch für seine Wachsamkeit danken, da war er ganz sicher.
    „Herr Edgar“, sagte der füllige Beamte und nahm die Position ein, die er gehabt hatte, als ihr Gespräch unterbrochen worden war. „Sie wollten mich also töten, und ich sollte mir vorstellen, wie ich mich dabei fühle, nicht wahr? Warten Sie, geben Sie mir einen Augenblick, um
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