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Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)

Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)

Titel: Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)
Autoren: Anne Perry
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1

    Langsam ging die Sonne über dem Fluss auf und goss rotes Licht über das Wasser. Einen Moment lang schimmerten die von Monks Rudern perlenden Tropfen wie Wein – oder Blut. Knapp einen Meter vor ihm beugte sich Orme auf der anderen Bank vor und stemmte sich mit seinem ganzen Gewicht gegen den Sog der Strömung. Längst aneinander gewöhnt, arbeiteten die beiden in perfektem Rhythmus zusammen. Es war Anfang Dezember 1867, fast zwei Jahre, nachdem Monk das Kommando an der Wache Wapping der Thames River Police übernommen hatte.
    Für ihn bedeutete dieses Amt einen kleinen Sieg. Orme war schon sein ganzes Erwachsenenleben bei der Wasserpolizei gewesen. Monk hingegen hatte sich gewaltig umstellen müssen, da er zunächst bei der Metropolitan Police und dann als privater Ermittler gearbeitet hatte.
    Jäh durchbrach ein schriller Schrei seine stille Zufriedenheit und übertönte das Knarzen der Dollen und das Plätschern der sich am Ufer brechenden Bugwellen eines vorbeigleitenden Verbandes von Frachtkähnen. Monk und Orme blickten in Richtung Nordufer und Limehouse Pier, der keine zwanzig Meter von ihnen entfernt war.
    Erneut gellte ein Schrei. Die Stimme schien sich vor Grauen zu überschlagen, und plötzlich tauchte eine Gestalt auf, schwarz vor den schattigen Umrissen der Schuppen und Warenlager am Ufer. Jemand in einem langen Mantel, der herumtorkelte und wild gestikulierte. Ob es ein Mann oder eine Frau war, ließ sich nicht bestimmen.
    Mit einem Blick über die Schulter auf Monk tauchte Orme das Ruder tief ins Wasser und wendete das Boot aufs Ufer zu.
    Je näher sie kamen, desto aufgeregter gebärdete sich die Gestalt. Da nun die tief hängenden Wolken auseinanderwichen, wurde das Licht klar. So ließ sich die Gestalt als Frau in langem Rock erkennen. Auf dem Pier stehend und immer noch mit den Armen fuchtelnd, rief sie ihnen etwas zu, doch ihre Worte waren zu wirr, um einen Sinn zu ergeben.
    Bald stieß das Boot gegen die Stufen und wurde von Orme vertäut.
    In Windeseile kletterte Monk aus dem Boot und erklomm die schmale Treppe. Oben angekommen, trat er rasch zu der Frau. Sie schluchzte und hielt sich die Hände vors Gesicht.
    Monk blickte sich um. Außer der Frau sah er niemand anders, nichts, was eine derart hysterische Angst hätte auslösen können. Bis auf ihn, die Frau und den sich über die Treppe nähernden Orme war der Pier leer. Auch ließen sich keine unmittelbaren Zeichen einer Bedrohung erkennen.
    Monk fasste die Frau behutsam am Arm. »Was haben Sie?«, fragte er mit ruhiger Stimme. »Was ist passiert?«
    Sie riss sich los, wirbelte herum und deutete ruckartig auf einen Abfallhaufen, der sich im heller werdenden Licht immer deutlicher abzeichnete.
    Monk machte einen Schritt darauf zu. Jäh krampfte sich sein Magen zusammen, als er begriff, dass das, was er für ein zerfetztes Segeltuch gehalten hatte, in Wahrheit der durchnässte Rock einer Frau war, die derart verstümmelt war, dass ihr Körper sich nicht ohne Weiteres als menschlich bestimmen ließ. Die Frage, ob sie tot sein mochte, stellte sich gar nicht erst. Halb auf dem Rücken lag sie grotesk verdreht da, das graue Gesicht gen Himmel gerichtet. Ihr Haar war verfilzt, und unter dem Rücken hatte sich eine Blutlache gebildet. Aber es war nicht das, sondern der Rest ihres Körpers, der dafür sorgte, dass sich ihm der Magen umdrehte und ihm die Luft in der Kehle stecken blieb. Ihr waren der Bauch aufgeschlitzt und die Eingeweide herausgerissen worden; jetzt lagen sie wie blasse, gehäutete Schlangen um ihre Lenden gruppiert.
    Monk hörte Orme hinter sich herankommen.
    »Gott im Himmel!« Orme stöhnte – kein Fluch, sondern ein flehentliches Gebet, dass das, was er sah, nicht wahr sein möge.
    Monk seinerseits schluckte schwer und klammerte sich für einen Moment an Ormes Schulter. Dann stolperte er über die groben Holzbohlen zu der schluchzenden Frau zurück, die in unkontrolliertes Zittern ausgebrochen war.
    »Wissen Sie, wer das ist?«, fragte er in sanftem Ton und berührte sie am Arm.
    Die Frau schüttelte den Kopf. Zugleich versuchte sie, ihn wegzuschieben, doch ihr fehlte die Kraft. »Nein! So wahr mir Gott helfe, ich kenn sie nich’! Ich bin hier rausgekommen, um meinen Mann zu suchen. Der Scheißkerl is’ die ganze Nacht weggeblieben! Und dann find ich sie!« Sie bekreuzigte sich, wie um das Grauen abzuwehren. »Ich hatte schon ’ne Mordsangst, dass er das is’, aber dann hab ich gesehen, dass es ’ne Frau is’, so ein
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