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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 9 Der Pfad des Schmerzes

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 9 Der Pfad des Schmerzes

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 9 Der Pfad des Schmerzes
Autoren: Martin Clauß
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herausfindet?“
    Fachinger explodierte. „Mann, Sie machen sich mehr Sorgen um die Toten als um die Lebenden!“
    Sir Darren sah ihn bedeutungsvoll an. „Und – ist das ein Verbrechen?“
    „Schluss jetzt mit den Spielchen!“ Er knallte beide Fäuste gleichzeitig auf die Schreibplatte, so heftig, dass die Ablagen einen Satz machten. „Hören Sie mir zu! Ich kann Ihrer komischen Schule immer noch eine Menge Schwierigkeiten machen, wenn es mir danach ist. Dass ich dort einen Geist gesehen habe, bedeutet nicht, dass ich alles stillschweigend hinnehme, was dort geschieht. Ich kann auch Ihnen persönlich Schwierigkeiten machen, glauben Sie mir! Oder Ihrem Studenten Artur Leik, der noch immer in Untersuchungshaft sitzt. Ich kann Ihnen so viele Schwierigkeiten machen, dass Sie die nächsten drei Jahre vor lauter Polizeiuntersuchungen und Gerichtsterminen nicht einmal mehr die Zeit finden werden, ein einziges Buch zu lesen, geschweige denn einen Geist zu beschwören.“
    Sir Darren zuckte zusammen. Einen Geist beschwor man nicht. Man beschwor Dämonen. Geister rief man, bat man, lud man ein. „Die Aufgabe der Polizei sollte es sein, Verbrechen an Menschen aufzuklären, nicht, neue zu begehen“, konnte er sich die Bemerkung nicht verkneifen.
    „Es gibt keine Verbrechen an Toten!“, brüllte Fachinger. „Es gibt nur Verbrechen an lebenden Menschen!“
    „Das ist genau der Punkt, an dem Sie sich irren!“ Auch Sir Darren wurde zusehends erregter. Er durfte gar nicht darüber nachdenken, dass dieser aufgeblasene Wichtigtuer vor ihm schuld daran war, dass er einen Toten despektierlich behandelt und zu einer lächerlichen Spukvorführung gezwungen hatte. Und jetzt öffnete sich der Vorhang zum zweiten Akt – zum zweiten Akt in dem schaurigen Theaterstück Wie Sir Darren Edgar die Toten verriet und verhöhnte . Beim ersten Mal hätte er sich schon weigern sollen, hätte sich von Werner Hotten und Margarete Maus nicht dazu überreden lassen dürfen, seine tiefsten Prinzipien zu brechen, nur um die Sensationsgier dieses lächerlichen Provinzkommissars zu befriedigen. Sie hatten gehofft, den Kripomann mit dem Spuk ein für alle Mal ins Bockshorn zu jagen. Aber Fachinger hatte sich schneller von seinem Schrecken erholt als Sir Darren, und er setzte zum zweiten, noch furchtbareren Schlag an.
    „Ich weigere mich“, presste der Brite hervor und stand mit einem Ruck auf. „Was Sie von mir verlangen, verstößt gegen alles, was mir wichtig ist.“
    „Wie Sie wollen! Wie Sie wollen!“, schrie Fachinger. „Aber seien Sie sich einer Sache gewiss: Wenn dieser Schenks ein zweites Kind umbringt, werde ich Sie dafür verantwortlich machen. Und wenn es mich meinen Job kostet – ungeschoren kommen Sie mir nicht davon!“
    „Chef ...“, meldete sich Santiago Faro leise. Dass er es die ganze Zeit über auf seinem Stuhl ausgehalten hatte, grenzte an ein Wunder.
    „Ruhe, Sancho! Und Sie, mein feiner Sir , ehe ich Sie eigenhändig rauswerfen muss, verschwinden jetzt aus meinem Büro!“
    Sir Darren war ohnehin schon im Begriff, genau das zu tun.

3
    Der Dozent für Spiritismus hatte an diesem Tag mit keinem der Studenten mehr ein Wort gewechselt. Es war niemandem aufgefallen, denn nur zwei von ihnen waren ihm begegnet. Harald Salopek war auf der Treppe beinahe mit ihm zusammengestoßen, und Sanjay Munda hatte den Briten gesehen, als sie auf dem Weg in den Waschraum war. Harald und Sanjay waren es gewohnt, dass Sir Darren sie nicht grüßte, deshalb wunderten sie sich nur ein wenig über die gebückte Haltung der großen hageren Gestalt. Dieser Mann pflegte stolz und aufrecht durch die Korridore der Schule zu gehen und hochnäsig auf die anderen Kreaturen herabzublicken, die das Glück hatten, dieses Gebäude bevölkern zu dürfen. Heute hielt er den Kopf gesenkt und beobachtete seine Umgebung verstohlen und finster aus den kleinen Augen heraus.
    Es war Sir Darren und doch nicht Sir Darren, der da ging.
    Kurz nach vierzehn Uhr kehrte er nach Falkengrund zurück. Er schloss sich unverzüglich in seinem Zimmer ein, und als eine Stunde später der Rektor Werner Hotten an seine Tür klopfte und fragte, wie es ihm bei Fachinger ergangen war, antwortete er ausweichend und bat darum, für den Rest des Tages in Ruhe gelassen zu werden. Die Tür öffnete er nicht.
    Er wollte niemanden sehen.

4
    In dem kleinen, kargen Zimmer, an einem alten, nach Nüssen riechenden Schreibtisch, saß ein verzweifelter Mann.
    Sir Darren hatte das Gesicht in
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