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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 9 Der Pfad des Schmerzes

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 9 Der Pfad des Schmerzes

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 9 Der Pfad des Schmerzes
Autoren: Martin Clauß
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Fachinger.
    „Ja. Sie hat keine Ahnung, wo er sich aufhalten könnte. Sie fürchtet, dass ihm etwas zugestoßen ist oder dass er sich selbst aus Schmerz etwas antut.“
    Fachinger holte tief Luft. „Aus Schmerz – oder aus Reue?“
    Faro zuckte die Schultern. „Ulrich Schenks hat einen Brief hinterlassen, auf seinem Nachttisch. Eine einzige Zeile nur: ‚Verzeih mir, was ich mir selbst nicht verzeihen kann’. Was hältst du davon, Chef? Viel deutlicher konnte er doch nicht werden, oder?“
    Der Hauptkommissar schüttelte müde den Kopf. Ja, das klang natürlich nach einer Art Geständnis. Aber man durfte sich von den am nächsten liegenden Antworten nicht zu sehr fesseln lassen, sonst kam man nicht mehr davon los, wenn sich neue Perspektiven ergaben. „Vielleicht bedeutet es etwas ganz anderes“, meinte er zögernd. „Wir wissen nicht, ob Schenks’ Ehe glücklich war. Es könnte sein, dass er schon länger vorhatte, seine Frau zu verlassen. Die Sache mit seiner Nichte könnte ein Auslöser dafür gewesen sein.“
    „Es scheint eine sehr glückliche Ehe zu sein, nach allem, was wir wissen.“
    Der Hauptkommissar sagte nichts mehr. Er schüttelte nur immer wieder den Kopf und schwieg in sich hinein. Er nahm die Schnupftabaksdose aus der Tasche, spielte eine Weile damit herum und steckte sie schließlich ungeöffnet wieder zurück. Die Sache mit dem ermordeten Mädchen ging ihm ohnehin schon an die Nieren. Er wollte sich einfach nicht vorstellen, dass ausgerechnet dieser sanfte, verletzliche Onkel, in dessen Tränenbächen sie beinahe ertrunken wären, das Kind ...
    Andererseits ... Fachinger hatte keine Erfahrung mit Kindermördern. Die Handvoll Mörder, denen er in seinem Leben gegenübergestanden hatte, hatten aus einfachen Motiven heraus gehandelt: Habgier und Eifersucht – Beweggründe, die man irgendwo nachvollziehen konnte.
    Er rutschte vom Schreibtisch, umrundete ihn und ließ sich in seinen Sessel fallen. Der Milchkaffee stand noch vor ihm. Plötzlich wollte er ihn nicht mehr. Das Getränk sah aus und roch wie ein schlammiger Pfuhl.

2
    Tage später …

    Als Fachinger „Herein!“ rief, betrat ein ungewöhnlicher Gast sein Büro. Ein großgewachsener, hagerer britischer Gentleman in einem sichtbar teuren Anzug. Als Gentleman erschien er zumindest bis zu dem Augenblick, da er den Mund öffnete und energisch sagte:
    „Darf ich Sie zu Beginn darauf hinweisen, dass man mich auf 10.30 Uhr geladen hat?“ Eine steile Falte teilte die Stirn des Mannes in zwei gleichermaßen indignierte Hälften.
    „Ich weiß“, erwiderte der Kripomann abwesend. „Wo ist das Problem?“
    „Es ist jetzt drei Minuten vor elf Uhr.“
    Fachinger hob die Brauen und sah auf die Uhr. „Korrekt. Diese Zeit habe ich hier auch.“
    Der Brite nickte, drehte sich elegant auf den Sohlen seiner schwarzen Lederschuhe herum und machte Anstalten, durch die noch geöffnete Tür wieder zu verschwinden.
    „Gott im Himmel“, brummte der Hauptkommissar und warf Santiago Faro einen schnellen Blick zu. Dann rief er mit lauter Stimme: „Verzeihen Sie die Verspätung, Herr Edgar. Sir!“ Er wusste nicht, woher er so schnell das „Sir“ nahm – er hatte in seinem Leben noch nie jemanden so angesprochen. Doch das Wort schien sich zu verselbständigen, kaum dass es seinen Mund verlassen hatte, und im Raum schwebend eine zauberhafte Wirkung zu entfalten. Der Angesprochene drehte sich ein zweites Mal um, diesmal langsamer, aber dafür in die richtige Richtung. Sir Darren schloss die Tür hinter sich, stellte sich neben den Besucherstuhl und nahm sogar Platz, als der Beamte ihn höflich darum bat.
    „Es tut mir wirklich leid“, betonte Fachinger noch einmal. „Zwei dringende Telefonate, und plötzlich war mir die Zeit davongelaufen. Danke vielmals für Ihr Kommen ... und Ihre Geduld!“ Ihm war anzusehen, dass er sich Mühe gab, eine Etikette an den Tag zu legen, an die er nicht gewöhnt war. Der Klang seiner Stimme allerdings drückte aus, wie müde und gelangweilt er in Wirklichkeit war. „Haben Sie vielen, vielen, vielen Dank.“
    „Ein ‚vielen’ weniger, und es hätte nicht einmal ironisch geklungen“, bemerkte Sir Darren angriffslustig. „Wollen wir allmählich zur Sache kommen? Sie riefen Herrn Hotten an, zogen es jedoch vor, nicht verlauten zu lassen, worum es geht. Falls mich dieses Procedere neugierig machen sollte, muss ich Sie enttäuschen. Um ehrlich zu sein, verstimmt es mich nicht wenig, in solch dreister Weise
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