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Verbrecher und Versager.

Verbrecher und Versager.

Titel: Verbrecher und Versager.
Autoren: Felicitas Hoppe
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Japanern, das einzige unverdächtige Thema! Lass dir die Pflanzen des Landes zeigen, lass dir alle Bäume der Heimat erklären, zeig Anteilnahme an allem, was ist, an allem, was in der Fremde blüht. Und sag ihnen, dass du die Felsen liebst, mit denen sie ihre Gärten schmücken. Mach ihnen deutlich, wie sehr dich entzückt, dass sie Klippen zwischen die Bäume bauen, dass durch künstliche Röhren Wasser fließt, in Becken, wo schimmernde Fische schwimmen, Becken mit Löchern und Klüften und Türen, rund oder viereckig oder oval, in eine Landschaft, die man gern künstlich verbessert, die man mit eigenen Bildern ausmalt, in deren Nischen man Vogelnester aufstellt, gefüllt mit Eiern aus Porzellan. Alles Barock, fast so schön wie zuhause.
    Und wenn man dann über die Pflanzen spricht, über
    Becken und Brunnen und über die Hügel, fällt es am Ende gar nicht mehr auf, wenn du, der Spion, den Gärtner nur spielst und in der Tasche mit deinem versteckten Kompass in Wahrheit heimlich die Gegend vermisst. So hat man die halbe Welt vermessen, so haben es andere vor dir gemacht, so werden es andere nach dir machen. Während Cleyer mit Samt und mit Seide handelt, handelt der Hofmeister einfach mit Land, mit Erde, mit Landschaft, mit fremden Sprachen. Und niemand wird ihn zu fassen bekommen, denn wo er auch hinkommt, man sieht ihn nicht wirklich, egal wo er ist, er wirft keinen Schatten. Sein Schatten ist anderswo- hin unterwegs, in anderen Diensten, in Schattengeschäften, weshalb ich noch einmal sein Bild sehen möchte. Welches Bild?, fragt der Schaffner und schließt leise die Tür, denn er möchte die schlafenden Männer nicht wecken, die immer noch von den Gruben träumen.

    Die Landschaft draußen ist stehen geblieben, sieben Jahre sind noch nicht vorbei, und Meister muss weiter Pflanzen sammeln. Sein Atem rasselt, ich höre ihn keuchen, irgendetwas braut sich zusammen auf der fernen künstlichen Insel Deshima. Ein Sturm. Und in einer windigen Nacht springt plötzlich ein Unterkaufmann ins Wasser, betrunken, schreibt Cleyer in seinem Bericht. Vermutlich wollte er sich erfrischen, vielleicht auch nur ein paar Schulden abwaschen. Aus der Ferne lässt sich das schlecht unterscheiden, weil sich kein Wachboot in der Nähe befand. Bei Sturm liegen alle vertäut am Ufer, also sah man von weitem dem Mann dabei zu, wie er winkend schwächer und schwächer wurde und allmählich zwischen den Wellen verschwand. Bis am Morgen die See den Körper an Land spült, aus der Sicht Doktor Cleyers der beste Beweis, dass der Tote wirklich unschuldig ist, man hätte ihn sonst ganz verschwinden lassen.
    Doch die Japaner glauben Cleyer kein Wort. Wo ein Mann ertrinkt, da ertrinken auch andere, wo sich eine Kiste in Luft auflöst, da verschwinden am nächsten Tag andere Kisten. Mängel in der Wartung des Gartengeländes, schreibt der Faktoreidirektor. Dabei weiß er so gut wie die Japaner und ich, dass, wo ein Loch ist, sich auch ein zweites findet, durch das nachts die chinesischen Schmuggler schlüpfen, und ein drittes, durch das ein ganzes Gefolge nachrückt.
    Gartenspione und Schattenschneider, Oberschmuggler und Zwischenschmuggler, japanische Dolmetscher und Schmugglerlehrlinge. Der Vater vererbt sein Handwerk dem Sohn, und der Sohn schließt sich selber im Warenhaus ein und schmuggelt die Waren durchs Fenster nach draußen. Was in der Eile nicht in die Boote passt, wird ohne Zögern ins Wasser geworfen, Porzellan und Keramik, ganze Ballen von Seide, ganze Vogelnester aus künstlichen Gärten, alles versinkt auf dem Boden des Meeres und vermischt sich dort mit dem übrigen Abfall, mit Sicheln, Hippen und Rasenspaten.
    Schreibt der Leutnant aus Frankfurt in seinem Bericht. Stille Post! Er ist mit seinen Geschäften zufrieden, diesmal hat sich die Reise gelohnt. Sieben Jahre sind fast vorbei, die Beute ist noch viel besser als sonst. Also höchste Zeit, seine Koffer zu packen, bevor die Japaner den Schaden bemerken und womöglich sein Siegel genauer prüfen. Aber noch zögert der Schattenschneider, es gibt ein letztes Geschäft, das ihn hält. Er kennt die Japaner und weiß genau, dass sie alles andere als kleinlich sind, was die Bestrafung von Schmugglern betrifft. Der grausamste, mühsamste Tod von allen, bei dem eine Menge Schatten fällt. Die Chinesen werden ins Meer geworfen, wer entkommt, wird auf immer des Landes verwiesen. Der Zaun um Deshima wird abgerissen und durch einen anderen Zaun ersetzt, dessen Stacheln hoch in den Himmel
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