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Verbrecher und Versager.

Verbrecher und Versager.

Titel: Verbrecher und Versager.
Autoren: Felicitas Hoppe
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In Meisters Fall ein Leutnant aus Frankfurt, unter dem Mantel den Klumpfuß, ein Mann, der bekannt dafür ist, dass er Schatten aufkauft, die er später erfolgreich nach Japan verschifft. Nagasaki, Deshima, hier und da eine Zwischenstation.
    Aber noch ist keine Rede von Schatten, die Sonne scheint und der Mann tut so, als würde er überhaupt nichts verhandeln. Reisender in Geschenken, der nur gibt und nichts nimmt, ein Glücksbote Gottes. Denn der Leutnant aus Frankfurt erkennt Meister sofort, auch er hat schließlich sein Handwerk gelernt. Täglich spielt er die Vorsehung Gottes, alles in allem gebückte Arbeit, erst lächeln, dann locken, dann eine Verheißung, eine zweite und dritte. Aber Meister will englische Gärten sehen, die Gärten Italiens, die Gärten von Frankreich. Der Leutnant wird etwas ungeduldig und bringt eine neue Geschichte ins Spiel, eine Mischung aus Angebot und aus Angst. Der Mann weiß genau, dass zuhause in der Hecke immer noch eine Frau sitzt und wartet, weil sie glaubt, dass Meister zurückkommen wird.
    Diese Geschichte ist immer dieselbe: Ich sehe was, was du nicht siehst, und ich sehe, du bist auf der Flucht, sagt der Leutnant. Aber das bin ich auch, das sind wir ja alle, weshalb mein Rat heute kostenlos ist. Und ich rate dir, morgen ein Schiff zu besteigen, nicht nach England, sondern noch etwas weiter, dorthin, wo dich keiner erreicht und wo dich auch keiner fragen wird, warum du die Sichel im Rucksack versteckst und ob du wirklich ein Gärtner bist oder nicht doch nur ein Totengräber.
    Diese Geschichte ist laut und so deutlich, und der Leutnant erzählt sie so oft und so gut, dass Meister sie selber zu glauben beginnt, bis Italien, Frankreich und England verblassen, genau wie die Gruben von Sonderhausen. Die Reise von viertausend deutschen Meilen erscheint auch den Männern im Zug plötzlich kurz, wie ein Tag auf dem Marktplatz in Amsterdam, wo die Turmuhr plötzlich zu schlagen beginnt, so laut, als schlüge dort ein Gewissen. Die Stimme Gottes, ruft der Leutnant und lacht. Jetzt oder nie, wer zögert, verliert! Auf sieben Jahre, dann bist du zurück und wirst auf die englischen Gärten pfeifen. Du wirst ein großer Lustgärtner sein, Gärtner bei Hof unter schweren Perücken!

    Meister schlägt ein. Sieben Jahre sind keine Zeit. Zwischen Mansfeld und Sonderhausen läuft hingeschüttet die Landschaft vorbei. Die Männer polieren noch immer die Helme und schließen dabei leise Wetten ab. Wie hoch die Luftfeuchtigkeit diesmal sein wird, wie gut ausgerüstet die Trinkstationen, wie berechenbar der Gegenverkehr, diese Angst vor Stürzen in jeder Kurve. Die Konkurrenz aus dem Ausland ist groß, und der Boden ist immer noch glatt und gefährlich. Ich betrachte ihre Schuhe und Helme, der Schaffner steckt Meisters Bild in die Tasche und fragt sie, ob sie nicht mitkommen möchten, wenn der Gärtner den Reisevertrag unterschreibt.
    Und das hier ist übrigens Georg Meister, Schiffsgärtner Gottes aus Sonderhausen, wird am Morgen der Leutnant aus Frankfurt sagen, wobei er elegant seinen Klumpfuß verbirgt, denn hinter Meister stehen noch andere Männer, die wesentlich schlechter schreiben als er und sich noch nicht wirklich entschlossen haben, die Welt mit eigenen Augen zu sehen. Einhundert Männer mindestens, denn der Leutnant reist nicht gerne allein und hat letzte Nacht ganze Arbeit geleistet. Nicht einen Mann hat er ausgelassen, hat Versprechen verteilt und Schatten geschnitten von hier bis ans andere Ende der Welt. Das macht, die Vertragszeit auf Jahre verrechnet, hundert mal sieben glatt unterm Strich, hundert Hüte für hundert Helme, hundert Gewehre und eine Sichel, die Meister in seinem Rucksack versteckt. Denn ein Gärtner reist niemals ohne Sichel, weil er weiß, dass er sie noch brauchen wird.
    Aber Meister wird weder Soldat noch Matrose, auch auf See muss der Gärtner ein Gärtner bleiben, der einzige, der sich auf Pflanzen versteht an Bord eines Schiffes namens Ternaten. Nie gehört, doch es geht nicht um Namen, es geht nur um Nahrung. Vier große schwere hölzerne Kästen lässt der Oberschiffszimmermann bauen, zwei nach Steuerbord, zwei nach Backbord, gleich oben auf die Steuermannshütte. Dann schickt er Matrosen mit Säcken an Land, um Erde für die Kästen zu holen. Gartenerde aus Amsterdam, Vorgartenerde aus Sonderhausen, in der das Gemüse besonders gut wächst. Kräuter aus Mansfeld, aus Amsterdam Kohl, Pariser Suppenkraut, Heckenkräuter, und alles, was noch an Zuhause
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