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Verbrecher und Versager.

Verbrecher und Versager.

Titel: Verbrecher und Versager.
Autoren: Felicitas Hoppe
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erinnert.
    Aber was will der Gärtner wirklich auf See, mit vier Kästen gestopft mit Heimaterde? Was will er mit Hippe und Rasenspaten? Will er womöglich die Fische bezwingen, die Stürme eingraben, die Wellen befrieden und, wenn das Wasser ihm feindlich wird, Sinnsprüche in den Ozean schneiden? Will er Salatköpfe über Salzwasser pflanzen, Mastbäume pfropfen und Luftschlösser wässern? Macht sich der Gärtner nicht lächerlich, wenn der Sturm sein blas- ses Gemüse verhöhnt? Braucht er nicht Boden unter den Füßen, mehr Erde als in vier Kästen passt, die zu klein sind, um darin Wurzeln zu schlagen? Alles in allem gebückte Arbeit, die Wellen lassen sich kaum bepflanzen, sie sind nur auf Meisters Vernichtung aus. Ein ewiger dreißigjähriger Krieg, und zwischen den Wellen warten die Fische, und oben an Deck lacht der Leutnant aus Frankfurt, der sich hin und wieder die Sichel ausleiht, um die frisch erworbenen Schatten in etwas kleinere Bahnen zu schneiden, damit er sie besser verkaufen kann. Nagasaki, Deshima, hier und da eine Zwischenstation.
    Aber der Schiffsgärtner weiß ganz genau, dass es besser ist, Salat anzupflanzen als zwischen den Masten herumzuklettern. Besser ein bisschen gebückte Arbeit als im Segel des Schattenschneiders zu sitzen und auf unsichtbare Küsten zu starren oder unten an Bord neben Männern zu hocken, die Gewehre polieren und Wetten abschließen und ihn für seine Arbeit verspotten, weil er weder Soldat noch Matrose ist, zwar weiß, wie man sich in die Erde gräbt, dafür aber nichts von beweglichen Böden. In Wirklichkeit ist ihr Spott nichts als Neid, denn nur Perückenträger kommen an Frischkost. Der Rest ernährt sich hauptsächlich von Flüchen, die der Gärtner nur zur Hälfte versteht, diese Mischung aus Hottentottisch und Deutsch, das Ganze mit Niederländisch versetzt. Den Rest hat der Schattenschneider erfunden für Meisters Wörterbuch einer Fahrt übers Meer.
    Aber darf man schreibenden Gärtnern trauen, die genau wissen, wie man die Wirklichkeit pfropft? Hier wird beschnitten, da wieder bewässert, hier etwas zu wenig, da etwas zu viel. Und immer bescheiden in Gartenmaßen, Zäune vor Frauen und Kinder in Hecken, ein Sinnspruch gegen den nächsten Krieg, der die Wörter gegen den Wind verteidigt, bis die Flüche barock und lächerlich werden: «Dass euch der Donner schände, ihr Hunde! Ihr Schinder, ihr Filtze und Schabehälse, und wo den Teufel kommst du von dannen, lebst du auch noch, du verdammter Hund, brech dir den Nacken, lebst du noch?»
    Tatsächlich, er lebt noch, der König der Kisten, der Kräuterkaiser und Erdensohn, Züchter von frischem Soldatensalat. Bis er schließlich nach Afrika kommt.

    Kap guter Hoffnung! Ist das hier der größte Garten der Erde? Und warum ist er so schlecht bewässert, so flüchtig beschnitten, so wenig gepfropft? Was hat sich Gott nur dabei gedacht? Wozu diese nutzlosen Paradiese? Warum steht hier nur eine Holländerfestung, wo Soldaten Schiffe mit Schüssen empfangen und Fahnen hissen, statt Bäume zu pflanzen? Warum steht hier nicht längst das Schloss von Versailles, das in Frankreich sämtliche Gelder verschlingt, während hier das Wasser in Strömen fließt und Lustgärten leicht zu bewässern wären?
    Wären da nicht die Hottentotten, deren Sprache Meister noch weniger spricht und die sich nur mühsam aufzeichnen lässt im Wörterbuch seiner Verwunderung. Ihre Kleidung gleicht deutschen Regenmänteln, aber nicht aus Tuch, stattdessen aus Fell, sie tragen keine Perücken, nur Ringe, sie können weder lesen noch schreiben, sie krähen wie Hähne und klappern wie Störche, wie französische Tanzmeister mit Kastagnetten, wie also soll man mit ihnen verhandeln? Sie kennen nicht Gott, dafür auch nicht den Teufel. Adam und Eva? Nie gehört. Vom Schweiß deines Angesichts keine Rede, sie legen sich auf die Erde und schlafen, verschwinden in Gruben, Nestern und Höhlen. Das Fleisch schlagen sie auf Steinen flach und essen es roh, dazu eine Wurzel aus dem Erdreich gegraben, Hottentottenbrot, wie die Holländer sagen. Sichel und Hippe kennen sie nicht, weder Rasenspaten noch Heckenschere, sie schneiden die Bärte mit Feuersteinen, als ob es die besten Schermesser wären. Die Schiffsnägel der Holländer sammeln sie ein und schlagen sie auf den Steinen so flach, bis daraus richtige Lanzen werden. Sie kämpfen gut und laufen schneller als jedes Pferd, kein Mensch, kein Gärtner, kein Marathonläufer würde ihnen jemals
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