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Verbrecher und Versager.

Verbrecher und Versager.

Titel: Verbrecher und Versager.
Autoren: Felicitas Hoppe
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entkommen.
    Schreibt der Schiffsgärtner Gottes aus Sonderhausen. Ist es das Auge, das Mitleid, das Ohr, die Bewunderung, die ihm die Feder führt? Oder ist es die Angst? Hinter ihm steht der Leutnant und lacht. Höchste Zeit, dass wir Weiterreisen. Für den Leutnant aus Frankfurt ist hier nichts zu holen, keine Seele und also kein einziger Schatten, den man günstig nach auswärts weiterverkauft.

    Im Abteil ist es still. Zwei der Marathonhelden schlafen, die anderen drei sitzen über den Karten, nächste Station ist Batavia. Nie gehört. Damit sind drei von fünf aus dem Rennen, und die anderen beiden will ich nicht wecken. Vielleicht kennen sie meine Geschichte ja schon, und draußen wütet ein heftiger Drehsturm. Der Schiffsgärtner fürchtet um seine Kisten, und der Koch kann seine Suppe nicht halten. Den Männern fliegt heißer Speck um die Ohren, der ihnen die Beine und Füße verbrennt. Sogar der Leutnant aus Frankfurt duckt sich und wünscht sich, vielleicht zum ersten Mal, nicht in Schatten, sondern an Land zu handeln. Bei besserem Wetter, mit leichteren Waren, bis man die Insel Unrüst erreicht, wo die Holländer ihre Schiffe proviantieren und Meister noch einmal die Kästen versorgt. Von dort aus weiter zur Teufelsinsel, wo der Schattenmann gleichfalls Geschäfte betreibt. Dorthin, das ist eine andere Geschichte, verkauft er jeden Matrosen, der flucht. Denn nur wer nach viertausend deutschen Meilen immer noch weiß, wie man wirklich betet, kommt auch in Batavia an.
    Batavia! Wo man die Sonne um sechs schafottiert, wo in den Kanälen die Mücke gedeiht, diese Stadt, wo es alles zu kaufen gibt, nur keine Gesundheit. Weshalb Junghuhn dort sicher kein Arzt werden wird und Nichtschwimmer Kapf seinen Kopf verliert, eine Stadt, die Hagenbeck niemals erreicht und von der Hagebucher nur träumt, diese Stadt, deren Gäste gern Karten spielen, um zu vergessen, dass überall Krieg herrscht.
    Jetzt hat auch Meisters Stunde geschlagen. Der Schiffsgärtner Gottes muss dabei zusehen, wie der Oberschiffszimmermann die Kästen zerschlägt, den ersten, den zweiten, den dritten, den vierten. Die Heimaterde schmeißt man ins Wasser, dort vermischt sie sich mit der anderen Erde und mit allem, was auf dem Meeresgrund treibt. Mit Helmen und Hüten und Rasenspachteln, mit Suppenkräutern und Holländerspeck, mit unverdautem Soldatensalat, mit in kleine Bahnen geschnittenen Schatten. Der Leutnant aus Frankfurt hat Recht behalten. Auf Java gibt es andere Gärten, andere Kräuter und andere Suppen. Man ist hier nicht darauf angewiesen, dass ein deutscher Gärtner die Küche versorgt.
    Hier braucht man weder Köche noch Gärtner, man braucht hier Soldaten. Denn der Kaiser von Java führt einen Krieg gegen den anderen Kaiser von Java, und nur Gott weiß, wie viele Kaiser es gibt und welchem von ihnen man helfen soll, indem man Soldaten in Büschen versteckt, wo sie nächtelang auf der Lauer hegen und nicht wirklich wissen, auf wen sie warten. Denn nur selten kommen Rebellen vorbei, und niemals darf man sich sicher sein, sind es Rebellen oder sind es nur Räuber, oder ist es womöglich der Kaiser persönlich? Man führt hier nämlich in fremden Kostümen gerne Soldaten an Nasen herum.
    Hinter den Büschen die komische Landschaft, hingeschüttet läuft Zeit vorbei, die man gemeinsam totschießen kann, indem man sich auf die Lauer legt, um das eine oder andere Tier zu erlegen. Seltsame Tiere, niemals gesehen, nicht in den Gruben von Sonderhausen und auch nicht am Kap von Afrika. Große Hitze und Luftfeuchtigkeit. Nur schlafende Männer sind noch mit im Spiel, weil Tiere im Traum nicht gefährlich werden. Sie wissen noch gar nicht, worum es sich handelt, wenn man wirklich auf Reisen geht. Tigertiere und Rhinoceroten, Krokodile, Rehe und wilde Schweine, Hirsche und Lebuans, wilde Kühe, die alle sämtlich das Feuer scheuen.
    Meister zieht aus dem Rucksack die Sichel und legt sich auf seine erste Lauer. Nur hat er die kleinen Tiere vergessen, weil er glaubte, sie schon von zuhause zu kennen, diesen tückischsten Teil der göttlichen Schöpfung. Denn immer stopft Gott die Gemeinheit ins Kleinste, in Körper, die man nicht hört, wenn sie kommen, eine kleine Armee ohne Fahne und Trommel. Waldmücken, Ameisen, nichts für das Auge, nichts, wofür man Gewehre anlegt. Aber sie bringen jeden Gärtner zur Strecke, wie die Laus, die seine Salate zerfetzt, wie die Ameise, die unter Fliesen wandert und Häuser am liebsten von unten bewohnt. Mit
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