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Das Flüstern der Nacht

Das Flüstern der Nacht

Titel: Das Flüstern der Nacht
Autoren: Peter V. Brett
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PROLOG
    Seelendämonen
    333 NR
     
     
    E s geschah in der Nacht vor Neumond, in der dunkelsten Stunde, als nicht einmal die Spur eines silbernen Streifs zu sehen war. An einer kleinen, stockfinsteren Stelle unter den mächtigen Ästen einer Baumgruppe stieg eine bösartige Substanz aus dem Horc auf.
    Der düstere Nebel verdichtete sich langsam zu einem Paar riesenhafter Dämonen, deren grobe, braune Haut knorrig und rau war wie Baumrinde. Sie hatten eine Schulterhöhe von neun Fuß, und ihre gekrümmten Klauen gruben sich in den mit gefrorenem Gestrüpp und Kiefernnadeln bedeckten Boden, während sie witternd die Luft einsogen. Ein leises Grollen drang aus ihren Kehlen, und mit schwarzen Augen überprüften sie die nähere Umgebung der Baumgruppe.
    Zufriedengestellt rückten sie ein Stück weit auseinander und nahmen eine geduckte, sprungbereite Haltung ein. An der stockfinsteren Stelle hinter ihnen vertieften sich noch die Schatten, und Verdorbenheit schwärzte den Waldboden, als zwei weitere nebelhafte Umrisse aufstiegen.
    Diese Gestalten waren von zierlicher Statur, kaum fünf Fuß groß, mit einer weichen, holzkohlefarbenen Hülle, die sich stark von dem zerklüfteten, borkeähnlichen Panzer ihrer massigeren Verwandten
unterschied. Die Krallen an den Spitzen ihrer zarten Finger und Zehen wirkten schwach - sie waren fein und gerade wie die gepflegten Nägel einer Frau. Die Münder in den flachen Gesichtern wiesen nur eine Reihe von scharfen, aber kurzen Zähnen auf. Die Köpfe erschienen wie aufgebläht, mit großen, lidlosen Augen und hohen, kegelförmigen Schädeln. Das darüberliegende Fleisch schloss sich um verkümmerte Hornstümpfe, knotig, fleckig und immerfort pulsierend: Horcling-Prinzen.
    Eine geraume Weile starrten die beiden Neuankömmlinge einander an, und ihre Kopfhaut zuckte in einem rhythmischen Pochen, während sich die Luft zwischen ihnen mit Vibrationen füllte.
    Einer der größeren Dämonen bemerkte, dass sich im Dickicht etwas bewegte, und zog mit erschreckender Schnelligkeit eine Ratte aus ihrem Versteck. Der Horcling hob den Nager dicht vor seine Augen und betrachtete ihn voller Neugier. Während dieses Vorgangs verwandelte sich das Maul des Dämons in die Schnauze einer Ratte; Nase und Schnurrhaare zitterten, und es bildeten sich zwei lange Schneidezähne. Mit der Zunge prüfte der Horcling ihre Schärfe.
    Einer der schlanken Seelendämonen drehte sich mit pulsierender Stirn um und fasste den Horcling, der sich gerade mit der Ratte beschäftigte, ins Auge. Ein leichter, schneller Schlag genügte dem Mimikrydämon, um das Tier auszuweiden und es zur Seite zu schleudern. Auf den Befehl der Horcling-Prinzen hin änderten die beiden Mimikrydämonen ihre Gestalt und verwandelten sich in riesige Winddämonen.
    Die Seelendämonen zischten, als sie den stockdunklen Winkel verließen und sich dem Sternenlicht aussetzten. Ihr Atem gefror in der Kälte, aber ohne ein Zeichen des Unbehagens stapften sie durch den Schnee. Die Mimikrydämonen duckten sich tief über den Boden, die Horcling-Prinzen liefen über die Schwingen, setzten sich auf ihre Rücken, und mit einem gewaltigen Satz ging es hoch empor in den Himmel.

    Auf ihrem Flug nach Norden segelten sie über zahlreiche Drohnen hinweg. Egal ob groß oder klein, alle diese Dämonen kauerten sie sich hin, bis die Horclinge vorbeigeflogen waren, um dann dem Ruf der Horcling-Prinzen zu folgen.
    Die Mimikrys landeten auf einer Anhöhe, die Seelendämonen ließen sich zu Boden gleiten und betrachteten das unter ihnen liegende Bild. Ein gewaltiges Heer von Menschen breitete sich über die Ebene aus, weiße Zelte übersäten das Land, auf dem der Schnee zu Matsch niedergetrampelt und dann steinhart gefroren war. Große, buckelige Lasttiere, mit Decken vor der Kälte geschützt, standen mit gefesselten Vorderbeinen in magischen Zirkeln. Die Siegel rings um das Lager waren mächtig, und Wachposten, die Gesichter mit schwarzen Tüchern verhüllt, patrouillierten an seinem Rand entlang. Selbst aus dieser Entfernung konnten die Seelendämonen die Kraft spüren, die von ihren mit Schutzzeichen verstärkten Waffen ausging.
    Hinter den Siegeln des Lagers war das Feld mit Dutzenden von toten Dämonen bedeckt, die darauf warteten, von dem Tagesstern verbrannt zu werden.
    Als Erste erreichten Flammendrohnen die Erhebung, auf der die Prinzen Posten bezogen hatten. In respektvoller Entfernung begannen sie, ihren Herren durch einen Tanz zu huldigen und ihre Verehrung
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