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Das Flüstern der Nacht

Das Flüstern der Nacht

Titel: Das Flüstern der Nacht
Autoren: Peter V. Brett
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der Wüste.
    Sofort zog sich der Wille des Dämons zurück, brach den Angriff ab, um seine eigenen Gedanken zu schützen. Der Tätowierte Mann spürte seine Chance und verstärkte die Attacke. Das gellende Kreischen des Horcling-Prinzen hallte in seinem Geist nach, als er von dem Stock erfuhr.
    Jetzt hätte der Tätowierte Mann ihn bezwingen können, doch der grauenhafte Anblick lähmte ihn. Die Horclinge, die an die Oberfläche kamen, um zu jagen, bildeten nur einen winzigen Bruchteil der Armeen, die der Horc ausspeien konnte. Millionen von Bestien. Milliarden. Zum ersten Mal, seit er die alten Siegel entdeckt hatte, zweifelte er daran, dass es möglich war, diese Heerscharen zu vernichten.
    Der Wille des Seelendämons brüllte über ihm, und ihr Kampf nahm eine primitivere Form an, jetzt ging es nur noch ums Überleben.
Doch nun war der Tätowierte Mann im Vorteil, denn er fürchtete sich nicht vor dem Tod und sah nicht über die Schulter, als der sich ihnen beiden näherte.
    Der Dämon hingegen tat es, und in diesem Moment brach sein Wille. Der Tätowierte Mann sog seine Magie in sein eigenes Wesen ein und ließ nur einen verbrannten Überrest zurück, den er vom Pfad in den Horc wegschleuderte, damit er sich für immer zerstreute.
    Nun allein auf dem Weg, hörte der Tätowierte Mann endlich den wahren Ruf des Horc, und er fand ihn wunderschön. Dort gab es Macht. Eine Kraft, die an sich nicht feindlich war. Wie Feuer war sie weder gut noch böse. Es war einfach nur Macht, und sie lockte ihn, wie eine Mutterbrust einen hungrigen Säugling anzieht. Er griff danach, bereit, von ihr zu kosten.
    Aber dann erreichte ihn ein anderer Ruf.
    »Arlen!« Wie ein fernes Echo wehte die Stimme den Pfad hinunter.
    »Arlen Strohballen, du kommst auf der Stelle zu mir zurück!«
    Arlen Strohballen. Diesen Namen hatte er seit Jahren nicht mehr benutzt. Arlen Strohballen war draußen in der krasianischen Wüste gestorben. Die Stimme rief nach einem Geist. Er wandte sich wieder dem Horc zu, bereit, ihn zu umarmen.
    »Verlass mich nicht noch einmal, Arlen Strohballen!«
    Renna. Zweimal hatte er sie schon im Stich gelassen, und wenn er es ein drittes Mal tat, wäre es ein Verbrechen. Er würde sie zu genau dem Leben verdammen, dem er zu entkommen versuchte, nachdem sie so sehr darum gekämpft hatte, ihn zu retten.
    Was konnte ihm die Umarmung durch den Horc bieten, das sie nicht hatte?

    Rennas Kehle war schon wund vom Schreien, als der Nebel aus dem Boden zurückkroch und allmählich Arlens Gestalt annahm.
Sie lachte unter Tränen und wäre beinahe erstickt. Noch vor einem Moment hatte sie damit gerechnet, dass der Horc ihn geholt hätte und es ihr nicht besser ergehen würde, doch plötzlich war jeder Dämon weit und breit tot, und in der Nacht herrschte eine gespenstische Stille, als sie und Arlen sich anstarrten. Die Rückwirkung der Magie des Seelendämons war sehr intensiv gewesen, und Rennas Sinne schienen wacher zu sein als je zuvor in ihrem Leben. Sie knisterte buchstäblich vor Energie, und ihr Herz pochte wie die Handtrommeln eines Jongleurs. Arlen war von einem derart hellen Schein umgeben, dass es in den Augen schmerzte, ihn nur anzusehen.
    »Schattentänzer«, hauchte Arlen plötzlich und brach so das Schweigen. Er hetzte zu seinem Pferd.
    »Viele seiner Knochen sind gebrochen«, meinte Renna traurig. »Er wird nie wieder richtig laufen können, selbst wenn er nicht eingeht. Dad würde sagen, man sollte ihm den Gnadentod geben.«
    »Zum Horc mit allem, was dein Dad gemacht hätte!«, knurrte Arlen. Renna fühlte seinen Kummer wie einen Schlag ins Gesicht, und in diesem Moment verstand sie, wie sehr er dieses Pferd liebte. Sie wusste, was es hieß, wenn ein Tier der einzige Freund war, den man auf der Welt hatte. Sie wünschte sich, er könnte ihr nur halb so viel Liebe entgegenbringen.
    »Die Wunden haben aufgehört zu bluten«, stellte sie fest. »Er muss von dem Gestaltwandler-Dämon etwas Magie aufgenommen haben, bevor er gegen den Baum geschmettert wurde.«
    »Mimikry«, berichtigte Arlen. »Man nennt sie Mimikrydämonen.«
    »Woher weißt du das?«, wunderte sich Renna.
    »Als ich den Geist des Horcling-Prinzen berührte, habe ich eine Menge erfahren«, erklärte er. Er packte eines von Schattentänzers gebrochenen Beinen und richtete die Knochen. Dann hielt er die verletzte Stelle mit einer Hand fest, während er mit der anderen ein Siegel in die Luft zeichnete.

    Er stöhnte vor Schmerzen, aber das Siegel flackerte
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