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Das Flüstern der Nacht

Das Flüstern der Nacht

Titel: Das Flüstern der Nacht
Autoren: Peter V. Brett
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Schlacht erteilte er seinem Diener Befehle.
    Jeder andere Widersacher wäre sofort tot gewesen, denn der Seelendämon hätte einfach dessen Gedanken gelesen und auf Angriffe reagiert, noch ehe sie erfolgten. Aber der Verstand des Menschen war durch Siegel geschützt, deshalb erfuhr der Dämon nichts über seine Pläne. Der Mimikry hätte dennoch gesiegt, doch dann
tat der Mensch etwas, mit dem nicht mal der Seelendämon hatte rechnen können.
    Er löste seine stoffliche Gestalt auf.
    Dergleichen hatte der Horcling-Prinz noch nie zuvor gesehen, er hatte sich nicht einmal vorstellen können, dass es einer Kreatur, die an der Oberfläche lebte, möglich war. Einen Moment lang machte diese Fähigkeit des Menschen ihm sogar Angst.
    Doch der Anflug von Furcht dauerte nicht lange, denn als der Mensch den Willen des Mimikry brach, berührte der Horcling-Prinz seinen Geist. In diesem Zwischenstadium verloren die Siegel ihre Macht. Jeder frisch geschlüpfte Prinz wusste das. Der eine hatte die unsagbare Torheit begangen, seinen Schutz aufzugeben. Jetzt war er verwundbar.
    Der Seelendämon reagierte, ehe der Mensch sich von seiner Überraschung erholen konnte, und tauchte hinein in den Strom seiner Erinnerungen, lernte seinen Feind endlich kennen. Der Mensch war entsetzt, weil jemand in seine Gedanken eindrang, doch es lag nicht in seiner Macht, ihm Einhalt zu gebieten. Seine ohnmächtige Wut versetzte den Seelendämon in einen wahren Rausch.
    Doch dann verblüffte der eine ihn wieder. Ein geringeres Geschöpf hätte kapituliert, aber der Mensch ließ seine Erinnerungen hinter sich, ohne Schutz, und warf seinen Willen in den mentalen Fluss des Seelendämons, mitten hinein in den Kern seines Wesens. Er durchbrach die Abschirmung des Dämons, der auf diese wilde Attacke nicht vorbereitet war, und einen kurzen Augenblick lang verbanden sie sich miteinander, bevor es dem Horcling-Prinzen gelang, seine Willenstärke zu bündeln und die Verbindung zu kappen.
    Sobald sein Geist wieder frei war, verfestigte sich der eine und zwang den Seelendämon, das Gleiche zu tun.
    »Renna!«, brüllte der Mensch. Schockiert beobachtete der Horcling-Prinz, wie die Luft zu flirren begann, das Weibchen wie aus
dem Nichts auftauchte und mit einem Messer, das Siegel trug, auf den Mimikry einstach.
    Der Seelendämon achtete nicht auf das Geheul des Mimikrys, sondern studierte die Luftverzerrung rings um das Weibchen; das Flimmern ging von einem Kleidungsstück aus, das sich hinter ihr bauschte, während sie die Klinge führte. Die Siegel mussten ungeheuer mächtig sein, wenn sie durch sie selbst vor den Augen eines Horcling-Prinzen verborgen geblieben war.
    Kaum hatte der eine seine feste Gestalt wiedererlangt, kehrten seine mentalen Siegel zurück, aber er hatte auch seine Kontrolle über den Mimikry verloren. Der Seelendämon befahl seinem Diener, ihn von sich wegzustoßen und sich dann auf das Weibchen zu stürzen. Er sollte ihr das Kleidungsstück mit den Siegeln vom Leib zu reißen und sie in einem wilden Kampf zu Boden schlagen.
    Als der eine wieder auf die Füße kam, standen zwei Weibchen vor ihm, völlig identisch im Aussehen und in dem, was sie taten. Der Seelendämon verknüpfte ihre Gedanken miteinander, so dass der Mimikry das Menschenweibchen perfekt imitieren konnte, dann löste er seine Krallen von dem Baumstamm, an dem er sich festgehalten hatte. Er machte einen Schritt in die leere Luft und driftete sachte wie ein herabfallendes Blatt nach unten.

    Der Tätowierte Mann blinzelte verdutzt, als er zwei Renna Gerbers vor sich sah, die einander völlig glichen, bis hin zu den verschiedenen verblassenden Schwarzstängelflecken auf der Haut. Die beiden Frauen schauten ihn mit den gleichen Augen an, trugen die gleiche zerlumpte Kleidung, hielten das gleiche Messer in der Hand. Selbst die Magie, die sie ausstrahlten, schien die Gleiche zu sein.

    Er lief zu Schattentänzer und zwang sich dazu, nicht auf die rasselnden Atemzüge des schwer verletzten Pferdes zu achten, als er nach seinem Langbogen griff und einen Pfeil anlegte. Dann hielt er inne, unschlüssig, auf welche Frau er zielen sollte.
    »Arlen, sie ist der Dämon!«, schrien beide Rennas im Chor und zeigten aufeinander.
    Fassungslos starrten sie sich an, dann wandten sie sich wieder ihm zu. »Arlen Strohballen«, riefen sie, die Hände genauso in die Hüften stemmend, wie Renna es tat, wenn sie wütend war. »Erzähl mir nicht, dass du mich nicht von einem Horcling unterscheiden
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