Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Flüstern der Nacht

Das Flüstern der Nacht

Titel: Das Flüstern der Nacht
Autoren: Peter V. Brett
Vom Netzwerk:
Wenn wir Lebensmittel benötigen, nehmen wir sie uns von den chin , die in der Umgebung leben und im Überfluss schwelgen.«
    »Selbstverständlich, Shar’Dama Ka «, murmelte Abban, den Mund dicht über dem Boden.
    »Du hast viel zu lange getrödelt, um hierherzukommen, khaffit «, tadelte Jardir. »Ich brauche dich, damit du unter den Gefangenen die Leute heraussuchst, mit denen du Handelskontakte gepflegt hast.«
    »Wenn sie überhaupt noch am Leben sind«, erwiderte Abban. »In den Straßen liegen Hunderte von Toten.«
    Jardir zuckte die Achseln. »Das ist deine Schuld, du warst zu langsam. Geh hin, befrage die Händler, die du kennst, und mache für mich ihre Anführer ausfindig.«
    »Die dama lassen mich noch im selben Augenblick umbringen, in dem ich einen Befehl ausspreche, auch wenn ich in deinem Namen handele, großer Shar’Dama Ka «, gab Abban zu bedenken.
    Er hatte Recht. Nach dem Evejanischen Gesetz wurde jeder khaffit , der es wagte, von einem über ihm stehenden Menschen etwas zu fordern, auf der Stelle getötet; außerdem gab es viele, die Abban um seinen Platz in Jardirs Rat beneideten und sich über seinen Tod freuen würden.
    »Asome wird dich begleiten«, bestimmte Jardir. »Dann bist du selbst vor dem fanatischsten Geistlichen sicher.«
    Abban wurde blass, als Asome vortrat, doch er nickte. »Wie der Shar’Dama Ka befiehlt.«

2
    Abban
    305-308 NR
     
     
    J ardir war neun, als die dal’Sharum ihn seiner Mutter wegnahmen. Selbst für krasianische Begriffe war er noch sehr jung, aber der Kaji-Stamm hatte in diesem Jahr viele Krieger verloren und brauchte Neuzugänge, bevor einer der anderen Stämme versuchte, ihn aus seiner herrschenden Stellung zu verdrängen.
    Jardir, seine drei jüngeren Schwestern und ihre Mutter Kajivah teilten sich ein einziges Zimmer in dem Elendsviertel der Kaji, das aus Lehmziegelhütten bestand und nur über einen ausgetrockneten Brunnen verfügte. Sein Vater, Hoshkamin, war vor zwei Jahren im Kampf getötet worden, als der Majah-Stamm die Kaji überfiel, um einen Brunnen zu erobern. Wenn ein Krieger ums Leben kam, war es üblich, dass einer seiner Kameraden die Witwen heiratete und für die Kinder sorgte, aber Kajivah hatte dreimal hintereinander Töchter geboren, ein böses Omen, mit dem kein Mann seinen Haushalt belasten wollte. Sie lebten von den wenigen Nahrungsmitteln, die die örtlichen dama ihnen als Almosen gewährten, und wenn sie auch sonst nichts besaßen, so hatten sie doch zumindest einander.
    »Ahmann asu Hoshkamin am’Jardir am’Kaji«, hob der Exerziermeister Qeran an, »du wirst jetzt mit uns kommen und uns in den Kaji’sharaj begleiten, um deinen Hannu Pash zu finden, den
Weg, den Everam dir vorherbestimmt hat.« Er stand in der Tür neben dem Exerziermeister Kaval; in ihren schwarzen Gewändern mit den roten Schleiern, die sie als Ausbilder kennzeichneten, machten die beiden groß gewachsenen Männer einen furchteinflößenden Eindruck. Unbewegt sahen sie zu, wie Jardirs Mutter weinte und ihn umarmte.
    »Jetzt musst du den Mann in unserer Familie ersetzen, Ahmann«, erklärte ihm Kajivah. »Für mich und für deine Schwestern. Außer dir haben wir niemand.«
    »Ich werde für euch sorgen, Mutter«, versprach Jardir. »Wenn ich erst ein großer Krieger bin, baue ich euch einen Palast.«
    »Daran zweifle ich nicht«, erwiderte Kajivah. »Alle sagen, ich sei verflucht, weil ich nach dir drei Mädchen zur Welt brachte. Ich sage jedoch, Everam hat unsere Familie mit einem so großartigen Sohn gesegnet, dass er gar keine Brüder braucht.« Sie drückte ihn fest an sich, und ihre Tränen benetzten seine Wange.
    »Genug geflennt«, blaffte Exerziermeister Kaval, packte Jardirs Arm und zog ihn fort. Jardirs kleine Schwestern gafften, als man ihn aus der winzigen Behausung führte.
    »Es ist immer dasselbe«, brummte Qeran. »Mütter können einfach nicht loslassen.«
    »Sie hat keinen Mann, der sich um sie kümmert«, warf Jardir ein.
    »Keiner hat dich zum Sprechen aufgefordert, Bengel!«, fuhr Kaval ihn an und verpasste ihm einen kräftigen Schlag auf den Hinterkopf. Jardir verbiss sich einen Schmerzensschrei, als seine Knie auf das Sandsteinpflaster der Straße schlugen. Alles in ihm schrie danach, zurückzuschlagen, aber er verlor nicht die Beherrschung. Egal, wie dringend die Kaji neue Krieger brauchten, für eine solche Beleidigung würden die dal’Sharum ihn so bedenkenlos töten wie jemand unter seiner Sandale einen Skorpion
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher