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Das Flüstern der Nacht

Das Flüstern der Nacht

Titel: Das Flüstern der Nacht
Autoren: Peter V. Brett
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Frauen und Kinder, als die größeren Horclinge verkohlte und versengte Siegel des inneren Schutzrings durchbrachen.
    Brüllend rannten die Krieger zu ihren Familien und vergaßen jede Disziplin. Innerhalb weniger Augenblicke lösten sich die geschlossenen, unbesiegbaren Verbände in Tausende Einzelwesen auf, die kaum mehr darstellten als Beute.
    Es sah ganz danach aus, als würde das Lager überrollt und niedergebrannt werden, doch dann trat eine Gestalt aus dem in der Mitte des Platzes stehenden Pavillonzelt. Der Mann trug schwarze Kleidung wie die Krieger, doch das Übergewand, die Kopfbedeckung und der Schleier waren blütenweiß.
    Die Stirn umrahmte ein Goldreif, und in den Händen hielt er einen prächtigen Speer aus glänzendem Metall. Sein Anblick entlockte den Horcling-Prinzen ein wütendes Fauchen.
    Schreie ertönten, als der Mann vortrat. Die Seelendämonen grinsten höhnisch über die primitiven Grunz- und Kläfflaute, mit denen die Menschen sich untereinander verständigten, doch deren Bedeutung war offensichtlich. Die anderen waren Menschendrohnen. Dieser Mann hingegen nahm eine höhere Stellung ein - er war ihr Kopf und ihre Seele.
    Unter der Führung des neu hinzugekommenen Kriegers erinnerten sich die übrigen an ihre Pflichten und stellten den früheren Zusammenhalt wieder her. Ein Trupp spaltete sich ab, um die äußere Bresche zu schließen. Zwei Kolonnen löschten die Feuer. Eine Gruppe brachte die Wehrlosen in Sicherheit.
    Unbehindert und ohne sich ablenken zu lassen stürmten die anderen durch das Lager, und die Drohnen konnten ihnen nicht lange standhalten. Es dauerte nur wenige Minuten, bis der Raum
innerhalb des Bannzirkels genauso mit Horclingleichen übersät war wie das Feld hinter der Absperrung. Bald blieb nur noch der Mimikrydämon übrig, der in die Rolle eines Felsendämons geschlüpft war, zu behände, um von einem Speer getroffen zu werden, aber außerstande, den Wall aus Schilden zu durchbrechen, ohne sein wahres Selbst zu enthüllen.
    Der Schädel seines Gefährten auf dem Hügel pulsierte wieder, der Mimikry tauchte ab in einen Schatten, gab seine stoffliche Gestalt auf und stahl sich durch eine winzige Lücke in den Siegeln aus dem Lager hinaus. Die Feinde suchten immer noch nach ihm, als er auf seinen Platz an der Seite seines Gebieters zurückkehrte.
    Mehrere Minuten lang standen die beiden schlanken Horclinge auf der Hügelkuppe und tauschten stumme Schwingungen aus. Dann richteten die Horcling-Prinzen völlig synchron ihre Blicke gen Norden, wo sich das andere menschliche Oberhaupt angeblich aufhielt.
    Einer der Seelendämonen wandte sich an seinen Mimikry, der in Gestalt eines gigantischen Winddämons in die Knie sank, und stolzierte die ausgestreckte Schwinge hinauf. Als er in der Nacht verschwand, fuhr der zurückbleibende Seelendämon fort, das qualmende Lager des Feindes zu betrachten.

Teil I
    Sieg ohne Ehre

1
    Fort Rizon
    333 NR - Winter
     
     
    D ie Stadtmauer von Fort Rizon war ein Witz.
    Knapp zehn Fuß hoch und lediglich einen Fuß dick war die Verteidigungsanlage, die die gesamte Stadt sichern sollte, kümmerlicher als der Schutzwall des bescheidensten Palastes eines Damaji . Die Aufpasser brauchten nicht einmal ihre mit Stahl beschlagenen Leitern; sie sprangen einfach hoch, hielten sich am Rand der winzigen Umfriedung fest und schwangen sich darüber.
    »Menschen, die so schwach und nachlässig sind, verdienen es, besiegt zu werden«, meinte Hasik. Jardir brummte zustimmend, erwiderte aber nichts.
    Im Schutz der Dunkelheit hatte sich die Vorhut von Jardirs Kriegerelite angeschlichen; der Schnee auf den brachliegenden Feldern, die die eigentliche Stadt umgaben, knirschte unter etlichen Tausend Sandalen. Während die Bewohner der Grünen Länder sich hinter ihren Siegeln verkrochen, hatten die Krasianer die von Dämonen heimgesuchte Nacht für ihren Vormarsch genutzt. Selbst Horclinge schlugen um so viele Heilige Krieger einen Bogen.
    Sie versammelten sich vor der Stadt, aber die verschleierten Krieger griffen nicht sofort an. In der Nacht attackierte man keine Menschen. Erst als das Licht der Morgendämmerung den Himmel
überhauchte, zogen sie ihre Schleier herunter, damit die Feinde ihre Gesichter sehen konnten.
    Man hörte ein paar erstickte Laute, als die Aufpasser die Wachen im Torhaus überwältigten, und dann schwangen knarrend die Stadttore auf, um Jardirs Armee einzulassen. Begleitet von einem durchdringenden Gebrüll wälzten sich sechstausend
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