Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Flüstern der Nacht

Das Flüstern der Nacht

Titel: Das Flüstern der Nacht
Autoren: Peter V. Brett
Vom Netzwerk:
er benutzte wie einen Wanderstab. Natürlich brauchte er keine Gehhilfe, aber die uralte Waffe hatte ihn in seine derzeitige Machtposition erhoben und befand sich immer griffbereit in seiner Nähe. Bei jedem einzelnen Schritt klopfte der Schaft auf den Boden.
    »Abban verspätet sich«, erklärte Jardir. »Selbst wenn er seit der Morgendämmerung zusammen mit den Frauen reist, hätte er längst hier sein müssen.«
    »Ich werde nie begreifen, wieso du diesen khaffit in deiner Gegenwart duldest, Vater«, meinte Asome. »Den Schweinefresser sollte man umbringen, allein weil er es gewagt hat, dich anzusehen, und trotzdem nimmst du seinen Rat an, als sei er ein Gleichgestellter an deinem Hof.«

    »Kaji selbst übertrug khaffit Aufgaben, für die sie sich eigneten«, versetzte Jardir. »Abban weiß mehr über die Grünen Länder als jeder andere, und ein weiser Anführer muss sich dieses Wissen zunutze machen.«
    »Was gibt es da zu wissen?«, fragte Jayan. »Die Bewohner der Grünen Länder sind samt und sonders Feiglinge und Schwächlinge, nicht besser als khaffit . Sie sind es nicht einmal wert, als Sklaven zu dienen oder in einem Kampf geopfert zu werden.«
    »Sei nicht so schnell der Meinung, du wüsstest alles«, ermahnte Jardir ihn. »Nur Everam ist allwissend. Im Evejah steht, wir sollen unsere Feinde kennen, und vom Norden wissen wir nur sehr wenig. Wenn ich diese Leute in den Großen Krieg einbeziehen will, muss ich mehr tun als sie einfach nur zu töten oder zu beherrschen. Ich muss sie verstehen . Und wenn alle Männer aus den Grünen Ländern nicht höher stehen als khaffit , wer wäre dann besser geeignet als ein khaffit , um mir zu erklären, was in ihren Herzen vorgeht?«
    In diesem Moment klopfte es an der Tür, und Abban humpelte ins Zimmer. Wie immer war der fette Händler in prächtige, weibische Gewänder aus Seide und Pelz gekleidet - eine auffallende Zurschaustellung von Prunk, mit der er anscheinend bewusst die gestrengen, genügsamen dama und dal’Sharum provozieren wollte.
    Die Wachposten schubsten ihn und machten sich über ihn lustig, als er an ihnen vorbeiging, aber sie hätten es nie gewagt, Abban den Einlass zu verweigern. Gleichgültig, welche persönlichen Gefühle man Abban entgegenbrachte, wer ihn behinderte, riskierte es, Jardirs Zorn auf sich zu ziehen, und kein Mann ließ es darauf ankommen.
    Der verkrüppelte khaffit stützte sich schwer auf seinen Stock, als er sich Jardirs Thron näherte; trotz der Kälte perlten Schweißtropfen über sein gerötetes, teigiges Gesicht. Jardir musterte ihn angewidert. Abban hatte offenbar wichtige Neuigkeiten, doch anstatt sie zu verkünden, stand er bloß hechelnd und nach Luft schnappend da.

    »Was gibt’s?«, schnauzte Jardir ihn an, als seine Geduld zu Ende ging.
    »Du musst etwas unternehmen!«, keuchte Abban. »Sie verbrennen die Kornspeicher!«
    »Was?!«, brüllte Jardir, sprang auf die Füße, packte Abban beim Arm und drückte so fest zu, dass der khaffit einen Schmerzensschrei ausstieß. »Wo?«
    »Am nördlichen Siegel der Stadt«, erwiderte Abban. »Von deiner Haustür aus kannst du den Qualm sehen.«
    Jardir stürzte nach draußen auf die vordere Treppe und entdeckte sofort die aufsteigende Rauchsäule. Er wandte sich an Jayan. »Lauf hin!«, befahl er. »Ich will, dass die Feuer unverzüglich gelöscht werden, und diejenigen, die dafür verantwortlich sind, soll man zu mir bringen.«
    Jayan nickte und verschwand in den Straßen, gefolgt von ausgebildeten Kriegern, die hinter ihm herzogen wie ein im Verband fliegender Vogelschwarm. Jardir drehte sich wieder zu Abban um.
    »Das Getreide wird gebraucht, um die Menschen durch den Winter zu bringen«, betonte Abban. »Jedes einzelne Korn. Jede einzelne Krume. Ich hatte dich gewarnt.«
    Asome stürzte vor, packte Abbans Handgelenk und drehte ihm den Arm brutal auf den Rücken. Abban schrie auf. »Du wirst nicht in diesem Ton mit dem Shar’Dama Ka sprechen!«, knurrte Asome.
    »Das reicht!«, griff Jardir ein.
    In dem Moment, als Asome ihn losließ, fiel Abban auf die Knie, legte beide Hände auf die Stufen und drückte seine Stirn dazwischen. »Ich bitte dich zehntausendmal um Vergebung, Erlöser«, winselte er.
    »Deinen feigen Rat, nicht in den kalten Norden vorzudringen, habe ich vernommen«, erklärte Jardir, während Abban wimmernd vor ihm kniete. »Aber ich werde Everams Werk nicht verzögern wegen dieses«, er trat gegen den auf den Stufen liegenden Schnee,
»Sandsturms aus Eis.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher