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Der Fluch der Totenleserin totenleserin4

Der Fluch der Totenleserin totenleserin4

Titel: Der Fluch der Totenleserin totenleserin4
Autoren: franklin
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    Teil eins
    Kapitel eins
    Zwischen den Gemeinden Shepfold und Martlake in Somerset gab es ein Niemandsland und viel böses Blut.
    Genau wie die nahen Städte Glastonbury und Wells ständig miteinander im Streit lagen, kehrte auch zwischen diesen beiden Flecken kein Frieden ein. Ohne Unterlass stritten Martlaker und Shepfolder darüber, wessen Schweine sich nun an den Bucheckern des zwischen ihnen liegenden Waldes gütlich tun durften, wer das Recht hatte, seine Gärten mit dem Wasser welches Baches zu bewässern, wessen Ziegen unerlaubt die Grenze überquert und die Wäsche des Nachbardorfes angefressen hatten …
    Heute am Lammmas-Samstag, nach einem guten Sommer, der dafür gesorgt hatte, dass sie die Ernte außergewöhnlich früh einbringen konnten, sahen sich die Bewohner der beiden Dörfer über ein Stück Feld hinweg an. Alle waren da, ob sie nun laufen konnten oder nicht. Ein Podium war errichtet worden, um Lady Emma von Wolvercote (ihr Gutssitz befand sich in Shepfold) und ihrem Mann Platz zu bieten. Bei ihnen waren Sir Richard de Mayne (der seinen Sitz in Martlake hatte), die beiden Gemeindepriester und ein arabischer Doktor nebst seine Helferin und einer älteren Frau. Vor ihnen lag ein Ball von der Größe eines schönen Kürbisses. Er war aus mit Lederstücken überzogenen Weideruten gefertigt und mit Sägemehl gefüllt.
    Vater Ignatius (Shepfold) unternahm den letzten verzweifelten Versuch zu verhindern, was hier gleich geschehen sollte.
    »Mylady, Sir Richard, es ist noch nicht zu spät, diesem üblen Tun Einhalt zu gebieten und die Leute nach Hause zu schicken. Der Sheriff hat ausdrücklich untersagt …«
    Sein Protest traf auf taube Ohren. Unverwandt vor sich hinblickend, sagte Sir Richard: »Wenn es Shepfold unbedingt danach verlangt, aufs Neue gedemütigt zu werden, wie kann ich die Leute dann enttäuschen?«
    Lady Emma weigerte sich ebenfalls, Vater Ignatius auch nur anzusehen, und schnaubte heftig durch die hübsche Nase. »In diesem Jahr wird Martlake gedemütigt.« Master Rötger, ihr hochgewachsener deutscher Mann, der auf eine Krücke gestützt neben ihr stand, warf ihr einen zustimmenden Blick zu und klopfte ihr ermutigend auf den Rücken.
    Vater Ignatius seufzte. Er war ein gebildeter, zivilisierter Mann. Am morgigen Sonntag, dachte er, werden sich diese Menschen in ihren besten Sonntagsstaat kleiden und Garben und Früchte in die Kirche tragen, um Gott für seine unendliche Güte zu danken, ganz wie es sich gehört. Aber am Tag vor Erntedank folgen sie dieser so einzigartigen wie abscheulichen Tradition, fallen zurück ins Heidentum und verwandeln den Vorabend unseres christlichen Festes in eine altrömischen Ausschweifungen gleichende Gewaltorgie.
Es ist ein Irrsinn.
    Adelia Aguilar stimmte in sein Seufzen mit ein und ging in Gedanken die medizinischen Utensilien durch, die sie dabei hatten: Verbandsstoff, Salben, Nadeln, Fäden und Schienen. Wie schön es doch wäre, wenn sie darauf hoffen könnten, nichts von alldem brauchen zu müssen, aber die Erfahrung wies in ein andere Richtung.
    Sie sah zu dem großen arabischen Eunuchen neben sich auf, der hilflos mit den Schultern zuckte. Dieses England vermochte ihn immer wieder neu zu verblüffen.
    Sie hatten gemeinsam einen langen Weg hinter sich gebracht. Beide stammten aus Sizilien, dem Schmelztiegel verschiedenster Rassen.
Sie,
als Baby ausgesetzt und wahrscheinlich griechischer Abstammung, war von einem jüdischen Arzt und seiner Frau gerettet und aufgezogen worden.
Er,
Mansur, war als ihr Diener in denselben Haushalt gekommen, ein Waisenjunge mit einer wunderschönen Stimme, den die römische Kirche, damit er sie nicht verlor, hatte kastrieren lassen.
    Die Umstände … nun, tatsächlich war es der verwünschte Henry  II . von England gewesen, der sie aus Sizilien gerissen und in sein Reich verschifft hatte. Und jetzt, einige außerordentliche Jahre später, standen sie hier auf diesem kahlen Stück Land in Somerset, auf dem sich die Bewohner zweier Dörfer gegenseitig in einem sogenannten Spiel zu verkrüppeln gedachten.
    »Ich verstehe die Engländer nicht«, sagte Adelia.
    Gyltha, die auf der anderen Seite neben ihr stand, sagte: »Die hier in Somerset sind keine richtigen Engländer,
Bor.
« Gyltha kam aus Cambridgeshire.
    »Hmm.«
    Zum Teufel noch mal, Adelia war eine ausgebildete Ärztin, eine Spezialistin für das Öffnen und Untersuchen von Toten, eine
Medica
der Medizinerschule im zu Sizilien gehörenden Salerno,
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