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Das waren schöne Zeiten

Das waren schöne Zeiten

Titel: Das waren schöne Zeiten
Autoren: Mary Scott
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Flitterwochen auf dem Pferderücken
     
    Wir waren durch das letzte Gatter auf die Straße hinausgeritten und lenkten unsere Pferde nach Norden, als mein neugebackener Ehemann sagte: »Himmel, ich habe das Geld vergessen!«
    Das war ernst. Das Geld, einhundertachtzig Pfund in Banknoten, stellte unser gesamtes verfügbares Vermögen dar und war vor der Hochzeit meiner Mutter zur Aufbewahrung übergeben worden. Nun hatten wir eben von unseren Freunden Abschied genommen und standen zuversichtlich und fröhlich am Beginn unseres Dreihundertfünfzig-Meilen-Ritts quer über die Insel, von Gisborne nach King Country.
    »Ich geh’ nicht mehr zurück«, sagte ich schnell, »nach dem großartigen Abgang ist das einfach zu dumm! Ich warte hier auf dich«, und griff entschlossen nach den Zügeln des Packpferdes, das mit unserer Campingausrüstung und unserem persönlichen Gepäck beladen war, während Walter mit überlegenem Ausdruck über die Pferdekoppel zum Hause seines Bruders zurückritt, wo die Hochzeitsgäste immer noch versammelt waren.
    Selbstverständlich hatte er einem Sperrfeuer von Witzeleien standzuhalten: >Lang hat’s nicht gedauert, was?< >Ist sie dir schon hinter die Schliche gekommen?< >Hast du sie jetzt schon satt!< und so weiter.
    Aber meine Mutter hatte kaum den zurückkehrenden Bräutigam gesichtet, als sie auch schon ausrief: »Du meine Güte!«, mit ungeheurer Würde ihren Rock hob und aus der Tasche ihres schwarzen Satinunterrocks das Bündel Geldscheine herausholte. Begleitet von lautem Hallo und Gelächter ritt der nagelneue Ehemann zu seiner wartenden Braut zurück.
    Als wir zum erstenmal das Problem besprachen, wie wir unsere Pferde von Gisborne nach Kawhia bringen könnten, hatte ich einen Einfall. »Laß sie uns doch hinüberreiten!«
    »Dreihundertfünfzig Meilen oder so? Viel zu anstrengend für dich.«
    »Aber ich möchte es so gern! Außerdem bleibt uns sonst nur die Möglichkeit, sie zu verschiffen. Denk nur an das Risiko! Kismet oder Minx brechen sich womöglich noch ein Bein, wenn sie aus diesem scheußlichen Leichter im Hafen ausgeladen werden! Und überleg dir bloß, wieviel sparsamer es sein wird... Und wieviel Spaß wir haben werden!« Ob es sparsamer war oder nicht, haben wir nie ganz herausbekommen; aber Spaß hatten wir ganz gewiß.
    Wir waren uns vor kaum vier Monaten begegnet, als ich bei meiner Schwester zu Besuch war, die David Scott, Walters Bruder, geheiratet hatte. Reiten war meine Leidenschaft, und Walter, der meine Schwäche schnell erkannte, hatte praktisch mit Pferden um mich geworben. Schon am ersten Morgen, nachdem wir uns kennengelernt hatten, erschien er mit Kismet, einem schönen, grauen Vollblut, hochbeinig, mit vollendeter Gangart, obgleich nicht schnell genug für die Rennbahn, wofür er eigentlich gezüchtet worden war. Ich habe niemals ein schöner gebautes Pferd gesehen, und als sein Besitzer sagte: »Ein prächtiger Morgen, nicht wahr? Wie ist es mit einem Ausritt?«, stimmte ich begeistert zu.
    Drei Tage später fuhr Walter mit Jack, einem schwarzen Traber, den er am Tag zuvor gekauft hatte, in einem brandneuen, feschen Gig vor. Die Transaktion war auf typische Weise zustande gekommen.
    »Der Bursche wollte vierzig Pfund.« Vierzig Pfund waren 1914 eine Menge Geld. »Mir gefiel er, und schließlich sagte ich, abgemacht! Wenn er mich in zwanzig Minuten in die Pinte bringt, kaufe ich ihn.«
    »Wie weit ist das?«
    »Zehn Meilen und, bei Gott, der Rappe schaffte es. Er ist schnell und hat Temperament.«
    »Und er ist gut anzuschauen«, ergänzte ich voller Bewunderung. »Aber was für ein langweiliger Name! Ein mehr romantischer würde viel besser zu ihm passen.«
    »Sein richtiger Name ist auch >Black Irvington<, aber in den Ställen bekommen sie immer irgendeinen Kosenamen. Jetzt hört er auf >Jack<. Er ist ja noch ein Baby — erst zwei Jahre alt. Versprach gut zu werden, brach aber unter dem Training zusammen.
    Sein Besitzer wollte ihn eigentlich nicht wirklich verkaufen. Ich habe halb und halb zugesagt, mein Geld zurückzunehmen und ihm das Pferd wiederzugeben, wenn es sechs Monate lang gesund bleibt.«
    Aber Jack kehrte nie mehr zu seinem Christchurch-Stall zurück. Nach Ablauf der sechs Monate war er Hunderte von Meilen davon entfernt, half eine leichte Zweiradkutsche über steile und verschlammte Straßen ziehen, stolperte niemals, immer lammfromm, die Hauptstütze unseres Lebens im Busch. Ein oder zweimal lahmte er vorübergehend, was unser Gewissen
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