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Verbrecher und Versager.

Verbrecher und Versager.

Titel: Verbrecher und Versager.
Autoren: Felicitas Hoppe
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diesem Feind hat hier niemand gerechnet, bis den Gärtner das Fieber erwischt. Der Kopf wird heiß und die Beine so dick, dass sich kein einziger Schritt machen lässt.
    Dabei sollte die Erde ein Garten sein und Gott noch immer ein fröhlicher Gärtner und Georg Meister sein fröhlicher Jünger, der sich die Erde Untertan macht und lieber Perücken tragen würde, anstatt Pässe von Kaisern zu verwalten, die er niemals zu sehen bekommt. Im Fieber beginnt er, Pflanzen zu sammeln, viertausend Meilen entfernt von zuhause, denn schließlich sind wir noch längst nicht am Ziel. Und irgendjemand kommt immer vorbei, irgendeine Zufallsbekanntschaft, die uns für immer vom Kriegsdienst befreit. Abwarten, sagt der Leutnant aus Frankfurt, der in Batavia lachend am Kartentisch sitzt und am liebsten auf doppelte Schatten setzt.

    Bis tatsächlich einer vorbeikommt. Andreas Cleyer, der Doktor aus Kassel, ein wahrer Meister doppelter Schatten, dessen zweiter Titel der schönere ist: Festungsapotheker der Kolonie! Herrscher der medizinischen Gärten, Züchter und Hersteller, Verwerter von Kräutern, von Gift und von anderer Medizin. Ein Mann, der jede Krankheit verwaltet zwischen Amsterdam und Batavia, Arzt und Kaufmann in einer Person. Ein mächtiger Mann und ein großes Gefolge, Laboranten, Apotheker und Kräuterkenner, seine Gärten sind groß. Und Meister schlägt ein, wird Gärtner und Baumschüler in einer Person, als wäre gar keine Zeit verstrichen zwischen Sonderhausen und Amsterdam, zwischen Kapstadt und Batavia.
    Die Frau in der Hecke ist längst vergessen, und ob Cleyer noch andere Geschäfte betreibt, kümmert Gottes Schiffsgärtner wenig. Wir sind hier am anderen Ende der Welt, wo jeder auf eigene Rechnung handelt, und diese Rechnung ist kompliziert, sodass es womöglich Jahre dauert, bis man vom Meer aus den Schuldenberg sieht.
    Meister, Verwalter medizinischer Gärten, zieht seine Sichel sofort aus dem Sack und macht sich ans Werk. Sklaven in Büsche und Wildnisse schicken, alles pflücken, was wächst und was riecht. Also Pflanzen sammeln, dann Kräuter 'wässern, dann Kräuter bestimmen. Ein Pfahl und ein Rohr, um hier und da ein paar Sklaven zu prügeln, falls sie die Lust am Sammeln verlieren und irgendwo auf der Strecke bleiben bei Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit. Hier und da eine Trinkstation, damit alles in eine Ordnung kommt, die Apotheker begeistert und den Gärtner der Festung zum Schwärmen bringt. Der Rest der Zeit steckt im Wörterbuch. Auch hier wird gesammelt, beschrieben, beschnitten und immer wieder von vorne bewässert, was aus der Feder Gottes kommt.
    Damit sind wir auch schon bei der nächsten Frage: Wie viele Sprachen spricht man auf Java, und welche davon hat Meister gelernt? Holländisch oder Portugiesisch, Malai- isch, Ballisch oder Javanisch?
    Ballisch? Javanisch? Nie gehört. Im Abteil ist es still. Die Kartenspieler sitzen am Fenster, es wird dunkel, viel ist nicht zu erkennen. Die Männer sprechen im Schlaf, eine Sprache, die nur sie selber verstehen. Also gehe ich gleich zu den Rätseln über: Was ist der nützlichste Baum der Welt? Apfelbaum, flüstern die Männer im Schlaf, ohne auch nur die Köpfe zu heben, sie sind sich ihrer Sache ganz sicher. Die Heimatfrucht, natürlich, der Apfel! Und der Apfel? Natürlich, das Paradies! Das Paradies? Der Garten Gottes, wo man den ersten Apfel aß und das Unglück über die Menschheit brachte. Der erste Apfel wurde niemals verdaut, Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, Erkenntnis, Vertreibung. Der Rest der Geschichte gebückte Arbeit, alles im Schweiß deines Angesichts. Das ist der nützlichste Baum der Welt?
    Vom Clapperbaum haben sie nie gehört, damit sind auch die Schläfer aus dem Spiel. Eine kleine Seereise würde nicht schaden, etwas weiter nach Süden, wo man ihn Clappus und Cocus nennt. Aus der Rinde wird der Bastrock gemacht, die Nüsse stillen Hunger und Durst. Ganze Mannschaften könnte man davon ernähren und jahrelang über die Meere schicken, auch ohne hölzerne Kästen an Bord, keiner würde zugrunde gehen. Denn das Mark ist wie Brot und das Wasser wie Milch, man trinkt sie und wäscht sich damit die Augen, sofort wird die Welt wieder deutlich. Auch andere Krankheiten könnte man heilen, aber ich möchte den Männern nicht nahe treten. Der Milchrahm, die Holländer nennen ihn Liplap, schmeckt und verdaut sich leicht wie die Luft, der deutsche Apfel liegt schwerer im Magen. Aus Liplap lässt sich auch Butter schlagen, im
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