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Verbrecher und Versager.

Verbrecher und Versager.

Titel: Verbrecher und Versager.
Autoren: Felicitas Hoppe
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Cocusöl werden Fische gebraten, mit Cocusöl reibt man die Körper ein, den Rest des Öls gießt man nachher in Lampen, damit man nachts schon von weitem sieht, dass Batavias Festungen hell bewohnt sind, wo man Affen mit Nüssen auf Bäumen fängt, wo es Cocuswein gibt und Süßigkeiten, alles aus einem Saft gewonnen, den selbst Fledermäuse und Ameisen lieben.
    Von innen nach außen, jetzt kommen die Schalen, aus denen man Lunten und Seile macht, danach dreht man sie fester zu Ankerketten oder zu Schnüren, um Schatten zu Paketen zu packen, die man dann weiter nach Übersee schickt. Der Rest der Schalen ist Kochgeschirr, Teller, Löffel und Tassen, die Chinesen trinken Tabak daraus. Was dann noch an Schalen übrig bleibt, kommt in ein Feuer, das brennt besser und heißer als jede Kohle aus deutschen Gruben. Was die Stämme betrifft, beste Palisaden, die Blätter dagegen macht man zu Besen, um die Ameisen aus den Ecken zu fegen, um Dächer zu decken und Schirme zu bauen, Regenmäntel und leichte Hüte. Der Rest wird in die Sonne gelegt, so lange, bis daraus Schreibpapier wird, auf dem sich fast alles festhalten lässt: Rechnungen, Register und Tagebücher, Schuldenkonten und Liebesbriefe, sogar Wörterbücher und große Gedichte, das folgende von einem Gärtner verfasst: «Komm Sterblicher und schau mit unverwandten Augen mich als ein Meisterstück des höchsten Schöpfers an, lass mich als Oberhaupt der nutzbarn Bäume taugen, solange mein Geschlecht hier Früchte tragen kann.»
    Die Schläfer seufzen noch lauter im Schlaf, und die Kartenspieler drehen sich weg und starren noch deutlicher aus dem Fenster, obwohl es dort nichts mehr zu sehen gibt, die Dunkelheit ist so gut wie vollkommen. Vielleicht ist ihnen meine Stimme zu laut, mein Vortrag zu heftig, oder sie halten nicht viel von Gedichten? Also gehe ich, weil ich nicht langweilen möchte, sofort zur letzten Strophe über, die fünf Strophen dazwischen lasse ich weg: «Drum wer vorübergeht, der bleibe hier was stehen und schaue mich nur recht als einen Quellen an. Des Höchsten Gütigkeit läßt solches mir geschehen, nicht hats der Fleiß, den ich nicht achte, hier getan.»

    Ballisch Barock? Womöglich Javanisch? Auch der Zug ist plötzlich stehen geblieben, und ich bin vermutlich längst aus dem Rennen. Nur Cleyer läuft weiter, mit Kurs auf Japan, Cleyer bereits mit dem dritten Titel, Faktoreidirektor der Niederlande, und Meister als Hofmeister mit im Gefolge. Deshima! Das wachsame Auge Japans aufs Meer, Festungsanbau der Stadt Nagasaki, eine künstliche Insel, die in keinem Atlas verzeichnet ist. Auf dem Stadtplan nichts als ein kleines Trapez, der einzige Ort auf der ganzen Welt, wo ein Handel mit Japan noch möglich ist. Größe? Fünfzehn Quadratkilometer. Die Mauern nach Osten und Westen je siebzig, die Südmauer zweihundertdreißig Meter, die Nordmauer um die einhundertneunzig. Vermutlich zu klein für Marathonläufer.
    Auch Frauen und Kinder bleiben Zuhause, für Familien ist kein Platz auf der Insel, auch nicht für Priester und Missionare. Schiffsgärtner Gottes! Siehst du dort hinten den Pfaffenberg? Von dort aus fliegt jeder Priester ins Meer, der allzu oft das Kreuzzeichen schlägt. Die Japaner sind nicht für Gebete zu haben, sie nehmen jede Geste beim Wort, mit deutschen Sicheln verhandeln sie nicht. Der Schattenschneider weiß, das genau, er ist länger in diesem Geschäft als Cleyer.
    Vermutlich schon fast so lange wie Gott, der genau weiß, wann man das Kreuzzeichen schlägt und wann man besser die Hände nur faltet und sich dabei leicht nach vorne verbeugt. Als Kaufmann ist Gott nicht wählerisch. Er spricht alle Sprachen, trägt alle Kostüme und weiß, auf welche Gesten man besser verzichtet, wenn man das Festland erreichen will, um in Verhandlungen einzutreten. Die Japaner wissen genau, was sie wollen, Seide aus China und aus Bengalen, aus Siam Tierhaut und Sappanholz, vom Rest der Welt Baumwolle, Quecksilber, Blei. Gedichte dagegen wollen sie nicht, weder Flüche noch Lieder in fremden Sprachen.
    Denn die Insel Deshima ist kein Garten, sie ist ein Gefängnis. Man darf dort weder trinken noch fluchen, weder Gott noch den Teufel führt man im Mund, Japanisch lernen ist gleichfalls verboten. Ein Gewächshaus der ganz besonderen Art, für das die Holländer übrigens Miete zahlen und wo Frischluft den Pflanzen nur schaden würde. Auch für die Wartung kommen die Holländer auf. Alles ist sicher und fest umzäunt, eine Warntafel hier und
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