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Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)

Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)

Titel: Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)
Autoren: Christoph Dörr
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Vor der Abreise
    JEDER WILLI WÜNSCHT SICH EINE BIENE MAJA C
    » Du erreichst mich emotional nicht mehr«, sagt Kim zu mir und steht auf. » Sorry, Andi, ich mach Schluss.«
    » Okay, für heute reicht’s.« Ich schaue vom Reiseführer auf. » Willst du noch Wein?«
    » Andi, es ist aus.«
    » Hm, was gibt’s?«
    » Nichts mehr«, sagt sie und geht die paar Schritte vom Couchtisch zur Tür. » Andi, ich liebe dich nicht mehr!«
    Ich verstehe Kim immer noch nicht. Kann sie nicht klar und deutlich sagen, was los ist?
    » Du, da … da ist noch was drin in der Flasche.«
    » Ich hole meine Sachen aus dem Bad.«
    Jetzt hocke ich doch sehr irritiert allein auf meinem roten Sofa, auf dem wir doch gerade noch ganz harmonisch nebeneinander gesessen haben, um den Verlauf unserer Reise nach Vietnam und Kambodscha anzusehen. Und nun das! Eine Woche vor der großen Tour.
    Ich schlucke. Wahnsinn, wie plötzlich dieser Ausbruch kommt. Wie ein Vulkan, der auf einmal die Brocken hinschmeißt. Völlig verdattert glotze ich sie an, als sie aus dem Bad zurückkommt. Fragezeichen tanzen über meinem Kopf.
    » Und ich dachte, unsere Beziehung wäre gerade chronisch geworden?«
    » Chronisch ungemütlich, das allerdings.«
    Wörter der Ratlosigkeit purzeln hilflos über meine Lippen.
    » Wie meinst du das … du liebst mich nicht mehr?«
    Kaum habe ich sie ausgesprochen, erscheint mir die Frage wie eine Arschbombe ins Fettnäpfchen. » Kann doch gar nicht sein!?« Ich will mich ja nicht lächerlich machen, aber ich glaube, ich bin gerade voll dabei.
    » Doch, Andi. Ich habe keine Gefühle mehr für dich.«
    Weitere Wörter fallen aus meinem Mund, als würden sie über eine Klippe stürzen.
    » Gestern, da haben wir … haben wir uns doch hier noch …« Meine Handbewegung zum Teppich ist so kraftlos wie meine Stimme. Gestern. Auf dem weichen Plüsch luderte die Leidenschaft! Zumindest kam es mir so vor.
    » Da habe ich mir vorgestellt, ich wäre eine andere. Tschüss!« Wie befreit sagt Kim das, packt ihre Jacke und verlässt meine Wohnung.
    Minutenlang stehe ich belämmert in meinem Flur, die hellgrünen Wände wabern im Takt meines Herzschlags. So auf Anhieb empfinde ich es nicht als eine Trennung. Eher als eine Kündigung. Fristlos. Ende – ohne Abspann mit Danksagung oder Abschiedssex. Ich starre auf die Wohnungstür, so als würde Kim gleich lachend mit dem Kamerateam von Verstehen Sie Spaß? zurückkommen. Kommt sie aber nicht. Umso schlimmer für mich, nach zwei Jahren Beziehung ohne eine Begründung abserviert zu werden. Jedenfalls ohne eine, die ich nachvollziehen kann. Traurig und hilflos tigere ich durch die Zimmer, die ohne Kim so leer sind. Ich höre nichts, nur mein Kühlschrank brummt unheilvoll aus der Küche.
    »Her mit dem Allheilmittel!«, denke ich mir und greife in den Erste-Hilfe-Kasten. Ich weiß, vier Flaschen Kölsch sind noch drin. Ehrlich gesagt habe ich gar keinen Bierdurst, nur – wer trinkt schon Apfelschorle, wenn er gerade verlassen worden ist?
    Mit der flachen Hand haue ich mir an die Schläfe, als wollte ich meinen Kopf wie eine Schneekugel durcheinanderwirbeln. In der Hoffnung, dass nach kurzer Zeit wieder alles an seinem gewohnten Platz ist.
    Ist es aber nicht. Ich haue noch mal.
    Das gibt’s doch nicht! Ja, ich habe schon viel Mist gebaut, das hier ist aber nicht meine Schuld. Natürlich ist unsere Beziehung nicht immer glücklich gewesen. Ja, manchmal haben wir vielleicht eine Flasche Wein benötigt, um in die richtige Stimmung zu kommen. Na und, lieber angetrunkene Romantik als gar keine. Die Hauptsache ist doch, es läuft und man ist nicht allein. Mann, ich dachte wirklich, unsere Beziehung wäre dauerhaft! So wie eine chemische Verbindung, in der Art.
    Und nun … sie hat mich doch nicht wirklich aus unserer Beziehung rausgeschmissen? Alleine macht die doch gar keinen Sinn für sie. Das ist echt das Blöde an Beziehungen – sie enden. Bestenfalls mit dem Tod durch Altersschwäche, aber sie enden immer. Eigentlich krass, wenn man das mal so bedenkt. Und dennoch sucht jeder Donald eine Daisy, jeder Willi wünscht sich eine Biene Maja. Ich doch auch.
    Raus muss ich, raus an die frische Luft. Meine Hand umklammert die Kölschflasche, halb ausgetrunken lasse ich die nicht stehen. Der Lichtschalter im Treppenhaus klickt, dann sind alle Etagen erleuchtet. Mein Blick fällt auf die Stufen, auf denen sich wieder gehörig Dreck angesammelt hat. Treppenhaus kehren ist doof, einen Putzplan aufzustellen
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